Montag, 17. August 2009

Montag, 17. August 2009

LEGAL ALIEN


Mitte August. In Deutschland versammeln sich angeblich bereits die ersten Vögel für ihren Flug gen Süden. Aber wahrscheinlich hat die Online-Presse wieder einmal maßlos übertrieben. Wahrscheinlich jagt in Deutschland ein Hochsommertag mit blauem Himmel und lauem Abend den nächsten. Kaum 10.000 km weiter südwestlich sind einige kühlere Tage vorbei, das Thermometer schwingt sich tagsüber wieder auf 30 Grad und knapp darüber.


Ich bin nunmehr offiziell registrierter Ausländer mit unbefristeter Aufenthaltsgenehmigung. Hierfür musste ich bei der Bundespolizei („Polícia Federal“) vorstellig werden. Ich werde nie wissen, wie die Dame, die meinen Fall bearbeitet hat, wirklich aussieht, da alle Bediensteten im Dienst derzeit einen Mundschutz tragen müssen – der „Gripe Suína“ wegen. Die Sorge um H1N1 ist hierzulande sehr groß. Etwa 300 Menschen sind bislang landesweit daran verstorben.


„Legal alien“ also. Mein Ausweisdokument ist allerdings vorläufig und wird es wohl auch noch länger bleiben, da die Behörde, welche die endgültigen Dokumente ausstellt, einen beträchtlichen Backlog abzuarbeiten hat. Grund dafür ist ein Amnestie-Programm der Regierung in Brasilia, im Zuge dessen Ausländer, die illegal in Brasilien leben, sich „legalisieren“ lassen können. Wie?!? Illegale Ausländer in Brasilien? In der Tat! Die Schätzungen gehen von mindestens 250.000 Personen aus. Wirtschaftsflüchtlinge in erster Linie.


Die meisten davon kommen vermutlich nicht aus Deutschland, sondern schon eher aus den ärmeren Nachbarländern Paraguay und Bolivien. Wir lernen: Egal, wie schlecht es Dir geht – es gibt immer jemanden, dem es noch schlechter geht.


Mit diesem Ausweisdokument („Registro Nacional de Estrangeiros“) in Verbindung mit meinem unbefristeten Visum darf ich übrigens auch arbeiten, muss aber nicht.


DIENSTLEISTUNGEN


In der vergangenen Woche haben wir unseren ersten „Service Provider“ unter Vertrag genommen: den „Piscineiro“ Osvaldo. „Piscina“ ist das Schwimmbad, ein „Piscineiro“ ist jemand, der sich auf die Pflege von privaten Swimming-Pools spezialisiert hat. Zweimal die Woche kommt Osvaldo auf seinem Moped angefahren, um die Wasserqualität zu kontrollieren und entsprechende qualitätssichernde Maßnahmen zu ergreifen, d.h. die adäquate Menge Chlor zuzugeben, den Dreck vom Boden des Schwimmbads abzusaugen, und was sonst halt noch zu tun ist, damit wir entspannt und unbekümmert uns in das kühle Nass hineinstürzen können.


Die Kosten für einfache Dienstleistungen sind übrigens überschaubar. Osvaldo berechnet für den o.g. Service 80 Reais, das sind gute 30 Euro – pro Monat. Nicht alles jedoch ist so preisgünstig. Aber dazu ein anderes Mal.


Alle anderen Arbeiten im Haushalt erledigen wir bislang selbst. Das müsste jedoch keineswegs so sein. So könnten wir etwa einen Gärtner („Jardineiro“) engagieren, der nicht die einmalige Gartenanlage übernimmt, sondern die regelmäßige (wöchentliche) Pflege. Angebote liegen bereits vor. Und dann natürlich eine der vermutlich Millionen von „Empregadas domésticas“ oder kurz „Empregadas“. Das Wort „empregado“ bedeutet schlicht „beschäftigt“ (s. „employed“). Es geht also um die Hausangestellte, welche kocht, putzt, wäscht, bügelt, aufräumt, sauber macht. In brasilianischen Haushalten von der Mittelklasse aufwärts eine feste Einrichtung.


So weit sind wir wie gesagt noch nicht. Und so gehört es u.a. zu meinen täglichen Aufgaben, den Innenhof (da, wo die Wäscheleinen gespannt sind), die Veranda (da, wo gegrillt wird) und den Platz um das Schwimmbad (da, wo sonnengebadet wird) zu fegen.


Meine Frau sagt nämlich, dass wir der Meinung sind, dass das notwendig ist, weil das Haus sonst unordentlich aussieht. Es gibt halt unzählige Möglichkeiten, seine Liebe zu zeigen.


110 JAHRE CAMPO GRANDE (1)


In diesem Monat begeht die Stadt Campo Grande das Jubiläum ihrer Gründung vor 110 Jahren. Nein, ich habe keine Null vergessen. Im Jahre 1899 wurde der Grundstein gelegt zu einer Stadt, die heute an die 800.000 Einwohner beherbergt. 110 Jahre sind natürlich gar nichts aus mitteleuropäischer Sicht, wo jeder Stein nur so von Geschichte trieft. Man muss sich aber vor Augen halten, dass die Geschichte Brasiliens, zumindest die die Geschichte der Besiedelung durch Europäer, erst vor gut 500 Jahren begann, als ein Portugiese, ein gewisser Pedro Álvares Cabral, der eigentlich Afrika umsegeln wollte, geringfügig vom Kurs abkam und versehentlich in Brasilien landete. Ein Blick auf die heutige Weltkarte zeigt, dass Afrika und Brasilien an der engsten Stelle gerade mal gut 2.000 km voneinander entfernt sind. Da kann das schon mal vorkommen, dass man sich um einen Kontinent vertut.


110 Jahre also. Die Stadtverwaltung („Prefeitura“) nimmt dies zum Anlass, einige Open-Air-Konzerte („Shows“) zu veranstalten – bei freiem Eintritt. So geschehen am vergangenen Freitagabend, als regional und national bekannte Künstler bei sommerlich-lauen Temperaturen auftraten. Sehr schön, sehr entspannt. Platz gibt es hier in der Stadt ja reichlich, so dass bei solchen Veranstaltungen auch kein Gedränge aufkommt. Man holt sich eine Kleinigkeit zu Essen, ein gut gekühltes Bier („Cerveja bem gelada“) – fertig. (Die leere Bierdose darf man übrigens guten Gewissens übrigens einfach stehen oder liegen lassen. Es wird nicht lange dauern, bis jemand vorbeikommt und diese einsammelt. Aluminium ist auch hier ein wertvoller Rohstoff.)


CHURRASCO


Am Sonntagmittag gab es – der aufmerksame Leser wird es erraten – wieder „Churrasco“, also große Mengen von gegrilltem Fleisch bester Qualität, je nach persönlicher Vorliebe ergänzt durch Reis, Bohnen, gekochte Maniok-Wurzel („Mandioca“), diverse Salate und eisgekühlte Getränke. Dieses Mal waren wir eingeladen bei den Mitgliedern einer Freimaurer-Loge („Loja Maçônica“). Freimaurer gibt es ja auf der ganzen Welt, so auch in Deutschland. Während in Deutschland dies jedoch eher ein „geheimer Zirkel“ zu sein scheint, wird hier sehr offen damit umgegangen. So ist es nicht ungewöhnlich, dass jemand in der Freizeit ein T-Shirt mit dem Logo der Freimaurer-Loge trägt. Zurzeit wird hier gerade die „Copa Maçônica“ ausgetragen, also ein Fußballwettbewerb aller Freimaurer-Logen. Ohne genauer recherchiert zu haben würde ich mal einen mittleren Betrag darauf verwetten, dass es so etwas nur in Brasilien gibt.


Apropos Fußball. Über den Sieg der „Seleção“, der brasilianischen Fußballmannschaft, gegen Estland, der ähnlich „souverän“ ausfiel wie der Sieg der deutschen Elf gegen Bertis Aserbeidschaner, wurde hier natürlich in allen Einzelheiten berichtet. Aber das war ja nur ein Freundschaftsspiel. Anfang September tritt der Ernstfall ein. Da geht es um die WM-Qualifikation gegen Argentinien. Drücken wir den Brasilianern die Daumen. Eine WM ohne Brasilien – das gab es erstens noch nie und ist zweitens sowieso auch völlig undenkbar.


Ich wünsche Euch allen eine schöne Woche.

2 Kommentare:

  1. Hallo Hans,
    es ist jede Woche wieder schön zu lesen wie es euch in Brasilien ergeht!
    In der Tag haben wir gerade den 3. Tag in Folge wo es über 30 Grad sind und zwei weitere sollen noch folgen. Heute morgen haben sie von 37 Grad am Donnerstag gesprochen. Nur leider gibts bei mir auf der Terasse keinen Pool und im Büro merkt man auch nicht sooo viel von der Hitze...
    Wünsche dir und deiner Familie weiterhin eine schöne Zeit und freue mich schon auf den nächsten Bericht!
    Viele Grüße
    Kathrin

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  2. Lieber Hans,

    du hast natürlich Recht, hier glüht die Hitze, 30 Grad und mehr und wir genießen gerade richtigen Hochsommer!(ähm Proteste aus dem Off, also ich genieße, andere stöhnen)!Im Gegensatz zur dir muss ich wieder arbeiten, aber das ist auch gut so,denn andere wären froh, sie dürften/müssten!Deine Liebesbeweise finde ich ja wirklich rührend, vor allem mit dem Wissen, dass es bald noch mehr fleißige Helfer geben wird(;-)Schade, dass man noch nicht virtuell putzen kann, bei mir zuhause gäbe es allerhand.
    Viel lieber aber hätte ich ein paar von den Papayas, die da in eurem Küchenwagen liegen, mmmmhh, in der Reife kriegen wir die hier nie!
    Was den Fußball angeht, gebe ich dir Recht, ohne Brasilien wäre alles nix und Eduardo macht sich ja bei Hoffe auch ganz gut!Und Maicosuel wird typisch brasilianische Ballzaubereien hoffentlich auch noch entfalten!
    Du siehst, ein bisschen Brasilien ist auch im Kraichgau(;-)

    In diesem Sinne herzliche Grüsse!!

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