Montag, 10. August 2009

Montag, 10. August 2009

WOCHE NR. 1


Eine Woche später. Nicht irgendeine Woche, sondern die erste in Brasilien verbrachte vollständige Woche liegt hinter uns. Und obendrein die erste Woche unserer Kinder in der brasilianischen Schule.


Fangen wir mit dem Wetter an. Bis einschließlich Samstag war es so: Morgens um 6 Uhr war es bereits gut 20 Grad warm, zum Mittag hin stieg das (gefühlte) Thermometer auf über 30 Grad an – allerdings bei niedriger Luftfeuchtigkeit. Zum Abend hin kühlt es wieder ab, die Nächte sind angenehm. Am Sonntag wurde es dann drastisch kühler. Am Montagmorgen sitze ich bei geschätzten 15 Grad eingewickelt in eine Decke am Küchentisch und schreibe diese Zeilen. Ab Mittwoch soll es wieder wärmer werden.


Die erste Schulwoche hat uns alle gefordert. Mitschüler und Lehrer waren sehr neugierig. Wir sind hier sehr weit weg von Europa. Schüler aus Europa sind hier eine Rarität. Die Aufnahme war überaus freundlich. Dennoch ist auch dieser Anfang natürlich eine Herausforderung. Fächer wie Mathematik oder Englisch sind einfach. Schwieriger wird es bei „geografia“, „história“ und „português“. Überall dort halt, wo die portugiesisch-brasilianische Sprache ein wesentliches Element ist und/oder wo die andere Perspektive auf den Globus eine Rolle spielt.


Die näheren Umstände im Vorfeld der Gründung des deutschen Reiches 1871 sind hier nur bedingt von Interesse. Da spielt schon eher die Monroe-Doktrin („Amerika den Amerikanern!“) eine Rolle.


Auch die Anstrengungen zur Schiffbarmachung des Oberrheins sind diesseits des Äquators eher nebensächlich, wohingegen Techniken und „Best Practices“ für Bewässerung und Viehzucht höchst relevant sind.


Der auffälligste Unterschied in Bezug auf Schule ist jedoch die „uniforme escolar“. Nun ist Brasilien alles locker, wie mein Sohn stets zu sagen pflegt. Die Schuluniform beschränkt sich ja auch auf die obere Körperhälfte. Ein Shirt im „Corporate Design“ der Schule ist vorgeschrieben. Dazu lange Jeans und Schuhe nach Wahl. Oder kurze Hose, dann aber bitte ebenfalls im Schul-Outfit. Diese Vorschrift soll helfen, soziale Unterschiede nicht an der Kleidung sichtbar werden zu lassen.


Im Gegensatz zum deutschen Alltag herrscht hier, wie gesagt, „verkehrte Welt“: Vormittags Hausaufgaben, nachmittags Schule. Das erweist sich jedoch mehr und mehr als nützlich. Abendliche Aktivitäten werden dadurch erleichtert. Hausaufgaben können in ausgeschlafenem Zustand erledigt werden.


Und die Hausaufgaben erfordern natürlich am Anfang viel Zeit und Energie. Es ist halt nicht trivial, Fragen zur Geschichte von „Orfeu e Eurídice“ auf Portugiesisch zu beantworten (6. Klasse) oder über verschiedene Aspekte von „sustentabilidade“ (sustainability) zu referieren (9. Klasse).


Aber es sind halt nun mal die Herausforderungen, mit denen wir wachsen. Ich übrigens auch – bislang im Rahmen der Hausaufgabenunterstützung und der Haushaltsführung.


VW DO BRASIL


Ein weiterer Meilenstein – im wahrsten Sinne des Wortes – wurde am vergangenen Freitag erreicht mit dem Erwerb eines Produkts von „VW do Brasil“. Nein, die Ära des VW Käfer („fusca“) ist auch in Brasilien definitiv vorbei. Einzelne sind noch im Verkehr zu sehen, gelten aber mehr und mehr als Rarität.


Ein „VW Fox“ ist es geworden. Ein Modell dieses Namens gibt es ja auch in Deutschland. Die hiesige Variante ist aber wohl größer.


Neben VW hat Fiat hier die stärkste Marktposition. Beide produzieren im Land. Importierte Autos, z.B. von Toyota, sind wesentlich teurer.


Das Auto genießt hier eine uneingeschränkt positive Wertschätzung. Man ist sich durchaus bewusst, dass Brasilien durch die Verwendung von aus Zuckerrohr hergestelltem Alkohol in Bezug auf CO2-Emissionen eine deutlich bessere Bilanz vorzuweisen hat als der „Primeiro Mundo“, die Länder der „ersten Welt“.


VATERTAG AUF BRASILIANISCH


Gestern war brasilianischer Vatertag – „dia dos pais“, mein zweiter also in diesem Jahr. Wir hatten unsere Verwandtschaft zu einem „Churrasco“ auf unserer Veranda eingeladen – als kleines Dankeschön für die grandiose Unterstützung, die sie uns vor, während und nach unserer Ankunft haben zukommen lassen.


Nun ist ja unser Haushalt auch nach knapp zwei Wochen alles andere als komplett ausgestattet. Hier zeigte sich jedoch ein weiteres Mal die unerreichte Fähigkeit der Brasilianer, mit den Herausforderungen des Alltags elegant, geschmeidig und im besten Sinne unaufgeregt umzugehen: Der gemauerte Grillplatz – eine renovierungsbedürftige Ruine: Kein Problem. Mit ein paar Ziegeln und Eisenstangen klappt das wunderbar. Der Kühlschrank zu klein für große Mengen von Fleisch, Gemüse und Bier: Kein Problem. Einer hat eine große Styroporbox, die wird mal eben mit einem Sack Eis gefüllt, um die Getränke auszulagern. Und so weiter.


Die Qualität des Fleisches ist übrigens unerreicht. Und das sage ich als jemand, der in Deutschland vergleichsweise wenig Fleisch isst. Das Würzen – von Rindfleisch – beschränkt sich übrigens auf das Einreiben mit grobkörnigem Salz. Mehr nicht.

Man muss sich die Umstände der Fleischproduktion vor Augen halten: Die Rinder sind 365 Tage pro Jahr im Freien, kennen keinen Stall. Und sie finden ebenfalls das ganze Jahr über Grünfutter vor. Das muss doch einfach gut werden.


Ab 15 Uhr gab es dann nur noch ein Thema: FLA gegen COR. Für Nicht-Insider: Flamengo gegen Corinthians. Das ist so ein Klassiker wie ab sofort Bayern München gegen TSG Hoffenheim.


Für die Freunde des brasilianischen Fußballs: Adriano, ehemaliger (und vielleicht auch künftiger) Mittelstürmer der „Seleção“, spielt bei Flamengo und schoss gestern das entscheidende Tor.


Ich wünsche Euch allen eine schöne Woche.

2 Kommentare:

  1. Hi Hans,
    es macht großen Spaß, Deine Notizen zu lesen, weiter so!!
    Ja, bei Orpheus und Euridike hätte ich helfen können, das habe ich namlich gerade gesungen, allerdings auf italienisch und nicht auf portugisisch, nun ja. Und bei der Nachhaltigkeit bist Du ja voll im Thema.
    Grillen tun wir hier alle intensiv, denn man kann absehen, dass diese Zeit enden wird, die ersten Blätter fallen - unglaublich.

    Liebe Grüße, Anne

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  2. fyi

    http://www.zeit.de/2009/33/SAP

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