IKEA
Viele Firmen- und Markennamen, mit welchen man im deutschen Alltag vertraut ist, findet man auch in diesem Teil Brasilien, abseits der ganz großen Zentren: Volkswagen natürlich, oder Shell und Bosch, oder C&A und Zeiss, oder Walmart und Carrefour. Nach einem Namen sucht man – in ganz Brasilien – jedoch vergebens: IKEA. „Der Deutsche ist ein Bastler, und der Schwede hat das erkannt.“ So lautet in knapper Form die Erklärung für den sehr großen Erfolg von IKEA in Deutschland. Nun – der Brasilianer ist offenbar kein Bastler. Deshalb vollzieht sich der Erwerb eines Möbelstücks hier in folgenden drei Schritten: 1. Aussuchen und bezahlen. 2. Lieferung – im Kaufpreis enthalten. Und jetzt kommt’s: 3. Zwei bis drei Tage später: Montage – im Kaufpreis enthalten. Bei den ersten Einkäufen (Küchentisch, Stühle etc.) war mir das noch nicht klar. Überdies war Eile geboten. Ich habe deshalb in gewohnter Manier zum Schraubenzieher gegriffen, um dann 2 Tage später den „Montador“ vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Letzte Woche dagegen hielt ich mich zurück, denn ich wollte – am Beispiel eines Küchenschranks und eines Wohnzimmerregals – einmal den „Standardprozess“ erleben. (Außerdem schreckte mich – ohne Akku-Schrauber – die beträchtlich große Tüte mit Schrauben ab.) Nun, zwei wortkarge junge Männer arbeiteten ordentlich – knapp drei Stunden lang, und das mit Akku-Schrauber. Meine Entscheidung war also richtig.
REGEN BRINGT VOKABULAR
Die „sehr ergiebigen“ Regenfälle dauerten bis Anfang der Woche an. Dies gab uns die Gelegenheit herauszufinden, an welchen Stellen unseres Hauses Sanierungsarbeiten vorgenommen werden müssen (und teilweise bereits vorgenommen wurden). Mit anderen Worten: Wasser tropfte von der Decke. Die „Root Cause“ war schnell gefunden: Die Regenrinne zum Nachbargrundstück war durchgerostet und verstopft, so dass sich das Wasser staute und unter das Dach lief. Das Gute daran ist, dass ich meinen Wortschatz in diesem Spezialgebiet beträchtlich erweitern konnte.
110 JAHRE CAMPO GRANDE (2)
Die Stadt Campo Grande stand in der vergangenen Woche ganz im Zeichen der 110-Jahr-Feier. Umzüge und Konzerte allenthalben. Sogar die Luftwaffe stieg auf, um ihre Rauchzeichen in den Himmel zu malen („Esquadrilha de Fumaça“). Getrübt wurde die Freude nur durch die nach wie vor anhaltende Sorge vor einer weiteren Ausbreitung der Schweinegrippe. Ich hab’s da gut - ich weiß mich bei meiner Oriana in besten Händen
RAUS AUFS LAND
Am Samstag fuhren wir – erstmals seit unserer Ankunft – raus aufs Land. Wir verbrachten den Tag auf der Fazenda „Piana“ (www.fazendapiana.com.br). Eine Fazenda ist ein landwirtschaftlicher Betrieb von in der Regel beträchtlicher Größe. Angefangen bei 500 Hektar (5 km2) bis über 10.000 Hektar (100 km2). In diesem Teil der Welt wird sehr viel Rindfleisch produziert, daneben Soja und Mais. Jetzt kann – und sollte – man durchaus fragen, wie ökologisch diese Landwirtschaft ist. Diese Frage ist wohl nicht so eindeutig zu beantworten. Das Urteil der Tierschützer würde sicher positiv ausfallen, da die Rindviecher ihr Leben lang im Freien zubringen und nicht in einen engen Stall gesperrt sind. Auf der anderen Seite ist die Fleischproduktion dieser Welt der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen (nach den Gebäuden dieser Welt). Und Pflanzenschutzmittel kommen hier auch reichlich zum Einsatz. Der dafür verwendete Begriff ist aber zumindest ehrlich und beschönigt nichts: „Agrotóxicos“.
Die Fazenda „Piana“ produziert hauptsächlich Hühner und Fische und bietet Gästen am Wochenende und an Feiertagen ein herrliches Ambiente mit kulinarischen Köstlichkeiten.
Und das geht so: Wir verlassen morgens die Stadt in südwestlicher Richtung – auf der Straße in südwestlicher Richtung. Nach etwa 35 Kilometer biegen wir rechts ab, um nach ca. 6 Kilometern nicht-geteerter Straße am Zielort einzutreffen. Von weitem ist bereits der großzügige Schwimmteich zu erkennen. Für 25 Reais (knapp 10 Euro) pro Person können wir den Tag dort verbringen und – wenn es so weit ist – zu Mittag essen. Getränke extra, Kinder zahlen die Hälfte.
Bis zum Mittagessen ist noch Zeit, also hinein ins Wasser. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Einfach vom Rand aus hineinwaten und losschwimmen, oder über eine Rutsche hineingleiten, oder über eine der beiden „Tirolesas“ sich hineinstürzen. Das Wort „Tirolesa“ rührt tatsächlich vom entsprechenden österreichischen Bundesland her – der tiefere Zusammenhang ist mir aber bislang nicht bekannt.
Es handelt sich dabei um eine Seilrutsche, wie manch einer sie von Kletterparks, z.B. aus Kandel, kennt. Mit dem Unterschied, dass man hier nicht mit einem Gurt angeseilt ist, sondern sich nur mit den Händen festhält, um in einem selbst gewählten Moment loszulassen und ins Wasser einzutauchen. (Mein Sohn zeigt im beiliegenden Video, wie man das macht.) Wer hätte gedacht, dass nicht nur Kinder ihren Spaß daran hatten.
Das herbei gesehnte Mittagessen war einfach, übertraf jedoch alle Erwartungen: Reis, Bohnen, gekochte Maniokwurzel, diverse Salate, Fleisch in verschiedener Zubereitung. Als Nachtisch zuckersüße Wassermelone („Melancia“).
Am Nachmittag wird eine weitere Attraktion erkundet: ein Wasserfall, der sich im nahegelegenen Waldstück befindet. Der Anstieg ist kurz, das Ziel überwältigend. Das Wasser ist kristallklar, natürlich frisch, aber nicht wirklich kalt. Ein einmaliges Erlebnis.
LAUFEN
Der Sonntag begann mit meinem sportlichen Einstand hier in Brasilien. Die Bevölkerung war aufgerufen, an einem 7km-Lauf teilzunehmen. Ich folgte dieser Aufforderung. Der Start war für 8 Uhr angesetzt. Zahlreiche Nachzügler verursachten eine halbe Stunde Verspätung. Die Temperatur beim Start: Geschätzte 28 Grad. Tendenz steigend. Die Streckenführung war einfach: 3,5 Kilometer bergab, 3,5 Kilometer bergauf. Ganz einfach. Einfach brutal. Langer Rede, kurzer Sinn: Ich kam ins Ziel.
Die Zeit bietet noch Steigerungspotential. Immerhin nahm ich Kontakt auf zu zwei Laufgruppen hier in dieser Stadt. Am 11. Oktober wird es einen Halbmarathon geben (www.voltadasnacoes.ms.sesi.org.br). Ich halte Euch auf dem „Laufenden“.
FEIJOADA
Ach ja, das obligatorische Churrasco am Sonntag. Fast hätte ich es vergessen. Nein, wieder nicht. Dafür ein erstklassige „Feijoada“, zubereitetet von vielen fleißigen Händen unter der Aufsicht von Orianas Tante. „Feijoada“ ist nicht mehr und nicht weniger als das brasilianische Nationalgericht. Früher war dies das „Arme-Leute-Essen“. Heute eben eine Spezialität. Aber das kennen wir auch von Pizza, Kaiserschmarrn und Saumagen.
Eine Feijoada also besteht aus Reis, schwarzen Bohnen mit Fleisch, gekochtem Kohl und Orangen. Früher hatten die armen Leute nur Fleischreste zur Verfügung, typischerweise Schweinefüße, -ohren und –schwänze (lecker!). Heute gelangen auch edlere Teile zur Anwendung. Guten Appetit.
Der nächste Montag ("7 de Setembro") ist der brasilianische Unabhängigkeitstag. Mein nächster Blog-Eintrag wird daher vermutlich erst am Dienstag erscheinen.
Ich wünsche Euch allen eine schöne Woche.