Mittwoch, 24. März 2010

Mittwoch, 24. März 2010

EHRENSACHE


Seit Februar gehe ich einer ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Man spricht hier von „freiwilliger Arbeit“ („trabalho voluntário“). Ob die Erwerbsarbeit im logischen Umkehrschluss daher als unfreiwillig angesehen wird, vermag ich nicht zu sagen.


Die freiwillige Arbeit ist sogar ein Bundesgesetz geregelt, welches besagt, dass ein Freiwilliger maximal acht Stunden pro Woche in dieser Weise tätig werden darf.


Meine erste Anlaufstelle war „MesaBrasil“. „Mesa“ bedeutet „Tisch“. Es handelt sich also um eine gemeinnützige Einrichtung, welche dafür sorgt, dass etwas zu Essen auf den Tisch kommt. Im Unterschied zu deutschen Tafelläden beliefert MesaBrasil allerdings keine Endverbraucher, sondern Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Altersheime, Frauenhäuser etc. Und dies in ganz Brasilien.


Bei MesaBrasil Campo Grande lerne ich Dona Lúcia kennen. Sie gibt mir eine ausführliche Einführung in die Arbeit der Organisation. Ja, sie würden auch mit Freiwilligen arbeiten. Diese würden aber in erster Linie schwere Säcke mit Reis, Bohnen und anderen Nahrungsmitteln schleppen. Da ich ja was Computern verstehen würde, hätte sie aber eine andere Idee.


So vermittelt sie mich weiter an Dona Gislene, die Leiterin einer Einrichtung, die man am ehesten wohl als Kinderhort bezeichnen könnte. Diese Einrichtung namens „Sociedade Educacional Constantino Lopes Rodrigues“, kurz „SOECON“, im Stadtteil „Nova Lima“ an der Peripherie gelegen, wird von etwa 250 Kindern aus hauptsächlich ärmeren Familien besucht. Mitunter sind die Familien nicht nur arm, sondern auch noch zerrüttet („desagregado“), sei es durch Trennung oder dadurch, dass ein Elternteil eine Strafe im Gefängnis verbüßt.


Die Kinder besuchen vormittags oder nachmittags eine normale Schule. Die jeweils andere Hälfte des Tages verbringen sie bei SOECON. Dort werden sie nicht nur beaufsichtigt und verpflegt, sondern erhalten von professionellen Lehrern ergänzenden Unterricht.


SOECON hat nun von einer anderen karitativen Organisation eine Spende erhalten: ein halbes Dutzend PCs. Leider weiß niemand etwas damit anzufangen.


So war die erste Idee, dass ich kleine Gruppen von Kindern im Umgang mit dem Computer unterrichte. Der Gedanke wurde jedoch im Gespräch mit Ricardo, dem Vorsitzenden („Presidente“) des Trägervereins, wieder verworfen, da dies erstens den restlichen Unterricht durcheinanderbringen würde und zweitens nicht allen gleichermaßen zugute kommen könnte. Stattdessen wäre es doch nachhaltiger, wenn ich Lehrer unterrichten würde, auf dass diese anschließend das erworbene Wissen mit ihren Schützlingen teilen können. Recht hat er.


Gesagt, getan. So verbringe ich nun also zwei Vormittage in der Woche in „Nova Lima“. Das ist dort, wo nur einzelne Straßen asphaltiert sind. Das ist äußerst unangenehm, wenn man dort bei Regen unterwegs sein muss, jedoch überaus hilfreich für die Orientierung: „Die nächste asphaltierte Straße rechts.“


„Nova Lima“ ist also ein Stadtteil, wo und man als vergleichsweise gutsituierter Bewohner des Stadtzentrums eigentlich nicht hinkommt.


Meinen „Schülern“ scheinen die Unterrichtsstunden („aulas“) Spaß zu machen, mir ebenso. Sie sind mit Eifer bei der Sache und machen gute Fortschritte. Ich übrigens auch, nämlich das brasilianisch-portugiesische Microsoft-Vokabular. Win-win also.


Einen ganz konkreten Zweck verfolgen wir dabei auch noch. Wie die meisten gemeinnützigen Einrichtungen, so finanziert auch SOECON sich teilweise aus Sponsorengeldern. Um neue Sponsoren zu gewinnen und die alten bei Laune zu halten, ist es opportun, die geleistete Arbeit ins rechte Licht zu rücken. So erstellen wir im Rahmen unserer „aulas“ Schritt für Schritt einen ansprechenden Bericht („relatório“) über die Tätigkeit der Einrichtung. Mit Microsoft Powerpoint in brasilianischem Portugiesisch, versteht sich.


HERBST


Deutschland atmet auf. Der Winter ist zu Ende, der langersehnte Frühling ist da. Wobei sich das Aufatmen beschränkt auf jene, die von Glück sagen können, dass die Pollen ihnen nichts anhaben. Heuschnupfen ist in Brasilien weitgehend unbekannt. Die Ursache ist vermutlich darin begründet, dass die pflanzliche Natur hier das ganze Jahr über aktiv ist. Somit besteht keinerlei Notwendigkeit, innerhalb weniger Wochen das gesamte Pulver zu verschießen. Bei uns ist jetzt übrigens Herbst. Dies hat zur Folge, dass die Tageshöchsttemperaturen auch mal unter 30 Grad liegen.


Ich wünsche Euch allen schöne erste Frühlingstage.

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