Mittwoch, 10. März 2010

Mittwoch, 10. März 2010

RIO VERDE DE MATO GROSSO


Ich hätte nicht gedacht, dass das Wochenende nach Rio de Janeiro gleich wieder ein atemberaubendes Highlight für uns bereithält. Und doch verhält es sich so. Dass es dazu kam, hat mit dem brasilianischen Gesundheitssystem zu tun.


Brasilien verfügt über ein staatliches Gesundheitssystem, das „Sistema Único de Saúde“, abgekürzt „SUS“. Wörtlich übersetzt „Das einzige Gesundheitssystem“. Alle, egal ob arm oder reich, zahlen in dieses System ein. Niemand kann sich, wie in Deutschland, mittels einer privaten Krankenversicherung davon freikaufen. Es steht natürlich jedem frei, sich zusätzlich privat krankenzuversichern. Doch der Beitrag in die Solidargemeinschaft muss sein.


Für die Patienten gibt es ambulante Versorgungs­einrichtungen („posto de saúde“) und Krankenhäuser („hospital“), welche kostenlos in Anspruch genommen werden können und entweder vom „SUS“ direkt oder aber von der Staat oder dem Bundesstaat betrieben werden.


Nun weiß man in Deutschland, dass so mancher Landarzt lange und inzwischen oft vergeblich einen Nachfolger sucht. Ähnlich ist es hier. In den großen Städten ist die Ausstattung mit Ärzten sehr gut. In kleinen Städten und dem Land dagegen ist es oft einen Herausforderung, die Versorgung gerade an Randzeiten, also etwa am Wochenende sicherzustellen.


So erreichte Oriana die Anfrage, ob sie nicht von Freitag auf Samstag eine Nachtschicht im städtischen Krankenhaus („hospital municipal“) in der Kleinstadt „Rio Verde de Mato Grosso“ leisten möchte, da gerade Not am Mann bzw. an der Frau sei.


„Rio Verde“ bedeutet grüner Fluss. Den Namenszusatz „de Mato Grosso“ braucht es, da im Nachbarstaat Goiás sich ein gleichnamiger Ort befindet. „Rio Verde de Goiás“ eben. „Rio Verde de MT“, wie es abgekürzt heißt, liegt noch in Mato Grosso do Sul. Der Name der Stadt stammt jedoch aus der Zeit vor Abspaltung von Mato Grosso do Sul vom einstigen riesengroßen Bundesstaat Mato Grosso. Nachträglich wird da nicht mehr geändert.


Zurück zur Nachtschicht. Gut, wird gemacht. Wir waren zwar noch nicht dort, wissen aber, dass es dort sehr schöne Wasserfälle geben soll. Daher beschließen wir kurzerhand, alle zusammen zu fahren. Hund inklusive. Während die Frau schuftet, amüsiert sich der Rest der Familie. Typisch.


Oriana braucht keine Unterkunft, wir aber schon. Von unserem Cousin und Freund Aldo haben wir den wieder einmal den entscheidenden Tipp bekommen: Die „Pousada do Didi“, „Didis Pension“. Bei Immobilien zählt ja in erster Linie die Lage. Und bei diesem Objekt soll diese recht einmalig sein. Wir telefonieren mit Didi. Er hat Platz für uns. Alles klar. Lassen wir uns überraschen.


Aufbruch Freitagnachmittag, 15 Uhr. Wir veranschlagen drei Stunden für die Fahrt. Der Weg dorthin ist einfach. Campo Grande in nördlicher Richtung verlassen, dann auf der Bundesstraße „BR-163“ 200 km geradeaus. Abermals scheinen sich alle LKW-Fahrer der Region auf dieser Route versammelt zu haben. Dann auch noch eine längere Baustelle. Wir schaffen es gerade eben mal so, gegen 18 h anzukommen.


Die Pousada befindet sich 7 km außerhalb der Stadt. Didis Wegbeschreibung lautet: Wenn der Asphalt endet, noch 80 m, dann rechts abbiegen. Klare Anweisung. Wir sind da. Und überwältigt. Unser Zimmer ist unmittelbar neben dem Wasserfall. Moskitos gibt es auch keine. Wir können also mit offenem Fenster schlafen. Herrlich.

Ausgiebige Kontemplation muss jedoch warten. Wir müssen jetzt ganz schnell was essen und Oriana vor 19 h im Krankenhaus abliefern. Knapp, aber zu schaffen.


Während Oriana sich um die Leidenden kümmert, lassen wir uns von dem sanften Rauschen des Wasserfalls in den Schlaf versenken.


Die Nachtschicht endet pünktlich um 7 Uhr morgens. Und natürlich bin ich zur Stelle, um meine Gattin abzuholen. Vorher jedoch fordert das Haustier sein Recht. Ich nutze die Gelegenheit, einen nahegelegenen Aussichtspunkt („mirante“) aufzusuchen, um die Wasserfälle, sieben an der Zahl, in seiner vollen Schönheit, glitzernd in der morgendlichen Sonne zu genießen. Ein wahrhaft atemberaubender Anblick, den ich in diesen Minuten nur mit unserem Hund teile. Weit und breit keine Menschenseele.


Den Vormittag dieses heißen Tages verbringen wir an und in den Wasserfällen. Das Wasser ist kristallklar und auf eine ganz besondere Weise weich. Wir sind zwar nicht allein, doch die Zahl der Besucher ist sehr überschaubar. Zwischendurch erkundigt sich Didi, ob wir zum Mittagessen bleiben wollen. „Comida caseira“ werde es geben. Diese einfache, frisch zubereitete Kost, die wir über alle Maße schätzen. Aber gerne bleiben wir.


Sich an dieser Stelle nach dem Preis zu erkundigen, ist überflüssig. Es wird ein fairer Preis sein. Didi und seine Gattin betreiben, inzwischen mit Kindern, Schwiegertochter und Enkelkind diese Pousada seit bald 25 Jahren. So jemand kommt nicht auf die Idee, jemanden „abzocken“ zu wollen. Hier gilt „Customer first!“, auf dass dieser möglichst wiederkommen möge. Wenn ich es mir recht überlege, sind wir auf all unseren Reisen hier Brasilien nicht ein einziges Mal „übers Ohr gehauen“ worden.


Wenn man etwas immer wieder erlebt, so kann sich ja leicht Gewohnheit einstellen mit der Folge, dass man dieses Erlebnis nicht mehr als etwas Besonderes wahrnimmt. Mit dem hiesigen Essen scheint es sich anders zu verhalten. Wir essen sehr oft sehr gut. Und dennoch ist es jedes Mal wieder ein ganz besonderes Ereignis. So auch das Mittagessen bei Didi.


Wir haben noch Verabredungen in Campo Grande, daher müssen wir nach dem Mittagsmahl aufbrechen. Wir kommen aber wieder. Versprochen.


KINDERGEBURTSTAG

Im Haus neben uns wohnt eine sympathische junge Familie, deren Tochter dieser Tage 1 Jahr alt wurde. Zu dem zugehörigen Fest werden wir freundlicherweise eingeladen. Nun, was erwartet man aus deutscher Sicht bei einem Geburtstagsfest für ein einjähriges Kind? Drei, vier andere Kinder, höchstens, Omas, Opas, vielleicht noch ein paar Tanten und Onkel.


Tatsächlich werden wir Teil eines aufwändig gestalteten Fests mit weit über 50 Gästen. Tage vorher wird von morgens bis abends gebacken und geschmückt.


So erfahre ich, dass es hierzulande üblich ist, gerade den ersten Geburtstag eines Kindes in derart großem Stil zu begehen. Je nach persönlicher Vorliebe und Größe des Budgets wird auch schon mal eine entsprechend spezialisierte Firma engagiert, um die Feierlichkeiten auszurichten. Bliebe noch zu erwähnen, dass gegen Mitternacht Schluss war.


Ich wünsche Euch allen die nötige Ausdauer für diesen nicht enden wollenden Winter.

1 Kommentar:

  1. Es ist mir ja ein totales Rätsel, wie man bei so gutem und so vielem Essen soooooo schlank bleiben kann(;-)))
    Aus dem sich langsam aus den Winterkrallen befreienden good old germany mit morgen, Donnerstag, angekündigten 2-stelligen Wärmegraden grüßt euch herzlich:
    Inge

    AntwortenLöschen