Montag, 28. September 2009

Montag, 28. September 2009

CAMPO GRANDE 12 UHR MITTAGS – DEUTSCHLAND HAT GEWÄHLT


12 Uhr mittags. Die ersten Würstchen vom Grill haben bereits gemundet. Das schöne Stück Fleisch („Picanha“) verspricht gar köstlich zu werden. Ein bisschen braucht es noch. Zeit für die Prognose. Schwarz-Gelb also. Das Wahlergebnis freut mich. Für Deutschlands Kabarettisten. Ich vermute mal, bei Priol, Schramm und Co. rauchen bereits die Köpfe. Da ist doch wesentlich mehr Stoff zu erwarten als von der SPD.


Was hat ein Steinmeier denn all die Jahre für die Kabarettisten getan? Gar nichts. Hat einfach seine Arbeit gemacht. Keine Skandale. Nichts. Und Steinbrück? Gut, er wollte als Haushaltssanierer in die Geschichtsbücher eingehen. War auf gutem Wege dahin. Bis zur Finanzkrise. Immerhin hat er mit ein paar starken Sprüchen gegen die Schweizer streckenweise für Unterhaltung gesorgt. Ulla Schmidt? Hat sich in beeindruckender Weise gegen verschiedene Lobbyistengruppen gestemmt. Schön und gut. Aber auch nicht der Stoff, aus dem erstklassige Sketche sind. Da war Tiefensee schon ergiebiger. Der verhinderte Bahnsanierer und letzte Fan von Hartmut Mehdorn. Obendrein möglicherweise der unauffälligste Bauminister (!) aller Zeiten.


Jetzt also die SPD unter 25%. Das tut mir, der ich einst noch Willy Brandt leibhaftig in München erleben durfte, schon weh.


Ich tröste mich mit der Vorfreude auf die nächste Ausgabe von „Neues aus der Anstalt“ (ZDF), wo Anstaltsleiter Urban Priol mit Georg Schramm und den anderen Anstaltsinsassen uns schlichten Geistern das Wahlergebnis schon mundgerecht filetieren wird.


ERKÄLTET IN DEN TROPEN


Die vergangene Woche hat insofern weniger Berichtenswertes, als ein heimtückischer Virus mich befallen und niedergestreckt hatte. Drei Tage lang war ich praktisch komplett ans Bett gefesselt und zu keiner nennenswerten geistigen oder körperlichen Handlung fähig.


Nun ist ja in Brasilien alles größer und gewaltiger. Auch die Viren. Die kann man fast mit bloßem Auge erkennen. OK, das ist leicht übertrieben.


Ich könnte nun berichten von bizarren Träumen, während ich fiebergeschüttelt mich auf meiner Pritsche hin- und herwarf und minütlich befürchten musste, im zähen Kampf gegen den Feind in meinem Körper heldenhaft zu unterliegen.


Doch erstens belief sich die höchste Temperatur, welche in diesen Tagen und Nächten an meinem Körper gemessen wurde auf gerade mal 37,3° Celsius. Also kein unmittelbar lebensbedrohliches Fieber. Und zweitens stellte meine Frau die Diagnose „Ganz normaler viraler Effekt“. Vermutlich litt ich an einer neuen, noch unerforschten Krankheit, und sie wollte mir die ganze brutale Wahrheit ersparen.


Dank der exzellenten Behandlung und Betreuung durch meine geliebte Gattin und der kompromisslosen Entschlossenheit, mit der ich mit dem unsichtbaren Eindringling entgegenstemmte, bin ich nun wieder einigermaßen hergestellt. Wie aber konnte es überhaupt so weit kommen? Nun, eine mögliche Erklärung ist diese hier.


Am Samstag vor einer Woche machte ich mich früh morgens auf den Weg, die Strecke des bevorstehenden Halbmarathons abzulaufen. Über Nacht hatte es stark abgekühlt – von über 35° auf etwa 20°.


Unterwegs geriet ich in einen der bereits beschriebenen tropischen Regengüsse mit Weltuntergangsfeeling. Links und rechts von mir schlugen mit lautem Knall die Blitze ein – ich immer weiter. Nach einem besorgten Anruf von Zuhause kürzte ich ein wenig ab und kehrte guter Dinge heim.


Im Laufe des Tages kühlte es weiter ab. Abends waren wir zu einer Geburtstagsfeier eingeladen. Ort des Geschehens: natürlich die Veranda. Also draußen. Es war mittlerweile richtig frisch, und ich war unangemessen gekleidet. Schon war’s passiert.


Wir merken: Auch in tropischen Gefilden kann man sich erkälten.


MIT DEM AUTO ZUM BIO-MARKT


Von einem weiteren Ereignis kann ich – krankheitsbedingt – nur mittelbar berichten: Die Eröffnung des ersten Wochenmarkts mit Produkten aus biologischem Anbau („produtos orgânicos“). Das wollten wir, also meine Frau, uns nicht entgehenlassen.


Auch der Oberbürgermeister („Prefeito“) war da, um den Markt ganz offiziell zu eröffnen. Oriana nutzte die Gelegenheit und wies ihn daraufhin, dass zum ökologischen Glück jetzt nur noch die Radwege fehlen, auf denen man sicher mit dem Fahrrad zum Bio-Markt fahren kann. Er zeigte dafür nicht etwa Unverständnis, sondern erwiderte, dass er an diesem Projekt bereits „dran“ sei. Er hätte sich hierzu auch bereits in Bogotá, der Hauptstadt des Nachbarn Kolumbien, umgesehen. Dort würde ein gut ausgebautes Radwegenetz geben.


Nun, diese Information überraschte mich, fand sie jedoch in www.wikivoyage.de bestätigt. Hiernach besitzt Bogotá mit 300 km das längste städtische Radwegenetz von ganz Amerika – nicht nur Südamerika. Jeden Sonntag werden dort angeblich mehrere Straßenzüge für den Autoverkehr gesperrt, so dass Fahrradfahrer freie Fahrt haben. 300 Kilometer sind nicht gerade viel für eine 7-Millionenstadt. Aber immerhin.


Neben der Errichtung von Fahrradwegen wäre da jedoch noch ein Detailproblem zu lösen: die vorherrschende „Hackordnung“ im Straßenverkehr, welche dem „Recht des Stärkeren“ folgt.


Nun muss man nicht bis nach Südamerika reisen, um als Fußgänger beim Überqueren einer Straße auf einem Zebrastreifen sein Leben zu riskieren.


Man kann die Welt in zwei Zonen einteilen: Zone 1. Das ist derjenige Teil der Welt, wo ein Zebrastreifen einem Fußgänger die unsichtbare Kraft verleiht, ein herannahendes Fahrzeug zum Bremsen zu veranlassen. Und Zone 2. Das ist jener andere Teil, wo ein Zebrastreifen eher dazu dient, das Grau des Asphalts etwas aufzulockern, also eher dekorativen Charakter besitzt.


Von Wiesloch aus in süd-südöstlicher Richtung dürfte der Zonenübergang irgendwo auf der Höhe Milano-Verano verlaufen. In südwestlicher Richtung bin ich mir da nicht so sicher. Beginnt Zone 2 bereits in Hagenau, oder erst in Nancy? Zweifellos aber befindet man sich in Montpellier, Marseille und jenseits der Pyrenäen in Zone 2. Und in Brasilien halt auch.


Bis wir also entspannt und gefahrlos mit dem Fahrrad zum Bio-Markt fahren können, wird es noch ein bisschen dauern. Von der sehr guten Qualität der Bio-Ware konnte ich mich aber bereits jetzt überzeugen.


Ich wünsche allen eine erfolgreiche Woche.

Montag, 21. September 2009

Montag, 21. September 2009

RESSOURCEN- SCHONUNG AUF BRASILIANISCH


Dass Trinkwasser auf dieser unserer Erde ein kostbares Gut ist, darf auch hierzulande als bekannt vorausgesetzt werden. Und so sind alle Anstrengungen willkommen, welche dazu beitragen, den Wasserverbrauch zu reduzieren. Brasilien beschreitet auf diesem Gebiet nun ganz neue Wege.


Eine offizielle (!) Kampagne wirbt dafür, das Angenehme mit dem Notwendigen zu verbinden, sprich: beim Duschen auch gleichzeitig zu pinkeln. Das zentrale Argument hierfür lautet: Urin besteht zu über 95% aus Wasser. Wenn man also beide Vorgänge gleichzeitig startet, sind in der Regel am Ende des Duschvorgangs alle Verunreinigungen beseitigt. Hierbei wird unterstellt, dass Duschen deutlich länger dauert als Pinkeln. (Dies gilt natürlich nicht für den Oktoberfestbesucher, der sich den wankenden Gang zum Pissoir verkneift, bis auch die fünfte Maß vernichtet ist. Dass seit Samstag „o’zapft is“, ist auch hier bekannt.)


Der potenzielle Einspareffekt ist hierzulande insofern höher als andernorts, als die durchschnittliche BrasilianerIn mindestens zweimal am Tag duscht. Diese hohe Wertschätzung der Körperpflege ist übrigens ein kulturelles Erbe der Indios.


Ich finde diese Idee – und das ist mein voller Ernst – außerordentlich innovativ. Und endlich muss ich das nicht mehr heimlich machen.


Unser Wasserverbrauch ist hier übrigens deutlich geringer als in Deutschland – trotz Schwimmbad. Während wir in Deutschland pro Jahr gut 100 m3 verbrauchen, sind es hier hochgerechnet nur gut 60 m3. Ich vermute, das liegt vornehmlich an dem niedrigeren Wasserdruck. Während in Wiesloch aus einem normalen Wasserhahn (ohne Verwendung von wassersparenden Armaturen) ca. 10 Liter pro Minute fließen, sind es hier gerade mal 3 Liter pro Minute.


GELD


Wie bereits mehrfach angekündigt, will ich heute mal das Thema Geld, Preise und Lebenshaltungskosten behandeln. Die zentrale Erkenntnis lautet: Die Lebenshaltungskosten in Brasilien sind etwa so hoch wie die in Deutschland, wobei im Einzelfall erhebliche Unterschiede bestehen.


Wohnraum ist in der Regel billiger – sowohl gemietet als auch gekauft. Dies hat damit zu tun, dass Bauen halt billiger ist: Die Grundstückspreise sind niedriger, die Baukosten sind wesentlich geringer, da Keller, Heizung und Isolierung entfallen. (Dies gilt natürlich nicht für Megastädte wie São Paulo oder Rio de Janeiro.)


Fortbewegung mit dem Auto ist in etwa gleich teuer. Die Anschaffungskosten eines Fahrzeugs sind eher höher als in Deutschland, ein Liter Benzin kostet ca. 1 EUR. Alkohol als Treibstoff ist – wie bereits früher erwähnt – etwa um ein Drittel billiger, hat jedoch einen höheren Verbrauch zur Folge.


Die Kilowattstunde Strom kostet incl. aller Steuern ca. 0,20 EUR, also in etwa so viel wie in Deutschland. Unser Stromverbrauch hier ist in etwa um ein Drittel geringer als in Deutschland. Dies aber auch nur deshalb, weil wir bislang auf den Einsatz von Klimaanlagen verzichten.


Für Essen & Trinken muss man unterm Strich in etwa genauso viel ausgeben wie in Deutschland. Natürlich sind „exotische Früchte“ wie Bananen, Papaya, Mango etc. hier billiger als in Deutschland. Wäre ja auch noch schöner. Dafür sind verarbeitete Lebensmittel, wie z.B. Tomatensoße oder Käse, eher teurer.


Krankenversicherung hat ebenfalls ihren Preis. Wir haben seit Kurzem einen „Plano de Saúde“, also eine Art privater Krankenversicherung, für ca. 300 EUR im Monat. Jeder Arztbesuch – und nicht nur einmal im Quartal – erfordert jedoch noch eine Zuzahlung von ca. 8 EUR. Und auf Medikamente gibt es lediglich einen Rabatt, d.h. wir würden sie größtenteils selbst bezahlen, wenn wir sie denn brauchen sollten. Aber dank Oriana kommt das ja praktisch nicht vor. Wer sich dies nicht leisten kann, wendet sich an das flächendeckende staatliche Gesundheitssystem, welches jede und jeden kostenlos behandelt.


Für die Schule unserer Kinder – eine Privatschule – bezahlen wir ca. 300 EUR im Monat. Dazu kommen Ausgaben für Bücher und sonstiges Material. Die staatlichen Schulen in Brasilien erheben kein Schulgeld, stellen auch Bücher kostenlos zur Verfügung. Mit der Qualität des öffentlichen Schulsystems ist es aber – zurzeit – leider nicht weit her. Das war mal anders. Oriana ist der beste Beweis dafür: Sie ging ausschließlich auf staatliche Schulen.


Nun liegt das Durchschnittseinkommen in Deutschland in der Größenordnung von 3.500 EUR brutto, in Brasilien bei ca. 500 EUR. Die spannende Frage lautet also: Wann kann ein Brasilianer mit durschnittlichem (oder gar unterdurchschnittlichem) Einkommen hier leben oder zumindest überleben? Die Antwort lautet ungefähr so:


Sich fortbewegen ausschließlich mit Bus, Fahrrad oder zu Fuß. Wohnen in der Peripherie. Kinder auf staatliche Schulen schicken; das staatliche Gesundheitssystem nutzen. Sich bei der Ernährung auf billige Grundnahrungsmittel beschränken. Und nicht zuletzt: Alle halbwegs erwachsenen Familienmitglieder tragen zum Familieneinkommen bei. So ist es hierzulande völlig normal, dass eine Frau nach der Geburt eines Kindes innerhalb von Wochen ihre Arbeit wieder aufnimmt.


SCHMETTERLINGE IM HAUS


Es ist so weit. Die Schmetterlinge schälen sich aus ihren ausgehärteten Ummantelungen. Dieser Vorgang ist für die Kreatur offenbar sehr kräftezehrend, verbringen sie doch anschließend bis zu einem ganzen Tag an derselben Stelle, um ihre Flügel zu entfalten und auszuhärten.


Daneben rückt die Mango-Ernte in großen Schritten näher. Die noch grünen Früchte nehmen sehr schnell an Größe zu. Bald wird es so weit sein.


Oriana ist zu Recht stolz auf ihre ersten gärtnerischen Erfolge. Der kahlgefressene Zitronenbaum hat sich dank guter Pflege wieder erholt. Aus Deutschland mitgebrachte Samen zeigen erste Blüten. Die Bananenstauden lassen ebenfalls Leckeres erhoffen.


DEUTSCHLAND VOR DER WAHL


Deutschland im Wahlfieber. Viele sind noch unentschlossen. Von dieser Stelle aus empfehle ich allen Wahlberechtigten den „WAHL-O-MAT“ der „Bundeszentrale für politische Bildung“. Einfach 38 Fragen beantworten (Stimme zu / Stimme nicht zu / Neutral), und schon bekommt man präsentiert, mit welcher Partei man die größten inhaltlichen Übereinstimmungen hat, d.h. welche Partei man wählen könnte, aber nicht muss. Überraschungen sind hierbei nicht ausgeschlossen.


Wir wünschen unserem Wieslocher Kandidaten Lars Castellucci viel Erfolg und hoffen, dass er in den Bundestag gewählt wird.


Montag, 14. September 2009

Montag, 14. September 2009

DAS HAUS LEBT


Es ist tierisch was los in unserem Haus. In den letzten paar Wochen haben sich zahlreiche Raupen an verschiedenen Stellen niedergelassen, der Metamorphose wegen. Die ersten Schmetterlinge kommen nun zum Vorschein. Ein gefundenes Fressen für unseren Hund. Aber unsere Tochter, die künftige Tierärztin, passt da schon auf.


Auf weniger Begeisterung stießen da schon die Wespen, welche dabei waren, im Garten ein Nest zu bauen. Da gab es kein Pardon.


Wesentlich erfreulicher war da schon der neuerliche Besuch der beiden blauen Papageie („Araras“), die sich höchst lautstark in unserer Palme unterhielten (s. Video). Wenn diese großen, prächtigen Vögel kommen, da wird einem schon warm ums Herz.



Beliebt sind auch die kleinen Eidechsen, welche nach Einbruch der Dunkelheit an der Außenseite unseres Wohnzimmerfensters Jagd auf Moskitos machen.


Und dann wären dann noch die Ameisen, die – sehr zum Leidwesen von Oriana – in einer konzertierten nächtlichen Aktion einen Zitronenbaum sowie eine frisch gepflanzte „Jasmin de Poeta“ kahlgefressen haben. Wollen halt auch leben.


UNABHÄNGIGKEIT


Die Woche begann mit einem Feiertag – dem nationalen Feiertag. Am 7. September 1822 erklärte Brasilien seine Unabhängigkeit von Portugal. Der Tag wird in allen Städten gefeiert mit zivilen und militärischen Paraden. Der zivile Teil – Paraden von Schulklassen – wurde in diesem Jahr gestrichen, der Schweinegrippe wegen. Die Militärparade fand statt. Für mich das erste Erlebnis dieser Art. Die Brasilianer sind einigermaßen stolz auf ihr Militär. Immer wieder wird applaudiert. Dennoch: So richtig tierisch ernst geht es auch dabei nicht zu. Es herrscht eher Volksfeststimmung (s. Video).



Der letzte kriegerische Einsatz des brasilianischen Militär fand in Italien während des zweiten Weltkriegs statt. Davor muss man schon weit in die Vergangenheit zurückgehen: 1875 gemeinsam mit Argentinien und Uruguay gegen Paraguay. Ein dunkles Kapitel. Ebenso wie die Zeit der Militärdiktatur 1964 bis 1985. Doch daran dachte wohl keiner an diesem sonnigen Vormittag. Momentan sind keine Feinde in Sicht - die Bedrohungslage ist überschaubar.


Die Unabhängigkeit Brasiliens beginnt in Europa, als nämlich Napoleon von Portugal verlangt, sich mit Frankreich gegen England zu verbünden. Portugal lehnt dankend ab. Napoleon ist erzürnt und marschiert kurzerhand in Portugal ein. Der königliche Hofstaat kann gerade noch fliehen – nach Rio de Janeiro. Das war 1808.


Und jetzt? Portugal ist feindlich besetzt, die portugiesische Krone braucht natürlich viel Geld, um ihren Apparat aufrechtzuerhalten, und sieht sich daher gezwungen, die wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens – und damit die wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Mutterland – aktiv voranzutreiben. Eine Entwicklung, die sich nicht mehr umkehren ließ.


1821 schließlich kehrt der portugiesische Königshof nach Lissabon zurück. Der minderjährige Sohn Pedro bleibt als Vertreter Portugals zurück. Die politische Klasse in Lissabon versucht nun in reichlich dilettantischer Weise, die Unabhängigkeit Brasiliens zu verhindern, etwa mit einem Gesetz, wonach gebürtige Brasilianer von politischen und militärischen Ämtern ausgeschlossen werden sollten. Das war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.


Der junge Pedro stellte sich geschickt an die Spitze der Unabhängigkeitsbewegung und wird dafür nicht zum König, sondern zum Kaiser Brasiliens ernannt. Beeindruckende Karriere.


ACADEMIA


Meiner Frau ist es mit viel Geduld und Charme gelungen, mich davon zu überzeugen, dass ich die Zeit hier u.a. dafür nutzen solle, meine (körperliche) Haltung zu verbessern. So besuche ich seit letzter Woche täglich (Mo-Sa) eine „Academia“ in unserer Nähe.


Nun wird manch Eine(r) sich fragen, wie man in einer platonischen Philosophenschule an der Körperhaltung arbeiten kann. Im hiesigen alltäglichen Sprachgebrauch hat „Academia“ nichts mit Platon zu tun, sondern bezeichnet – ohne weiteren Zusatz – schlicht ein Fitnessstudio.


Wundert Euch also nicht, wenn ich im nächsten Jahr mit Muskelpaketen versehen, überspannt von straffer, sonnengegerbter Haut zurückkomme.


HEILENDER HUND


Der für das Wochenende geplante Ausflug nach Bela Vista, an der Grenze zu Paraguay, musste leider ausfallen, da unser Sohn an einem hartnäckigen Husten litt. In der Nacht von Samstag auf Sonntag geschah etwas Wunderliches.


Unser Hund „Lucky“, der, wenn wir ihm die Wahl lassen, immer unter dem Bett unserer Tochter Deborah schläft, legte sich – zum allerersten Mal – unter das Bett unseres Sohnes Marcus, nachdem dieser bereits eingeschlafen war. Eigenartig. Am Sonntagmorgen ging es Marcus wesentlich besser. Bestimmt nur ein Zufall.


Ich wünsche allen Eltern von schulpflichtigen Kindern in Baden-Württemberg einen guten Einstieg in das neue Schuljahr.

Dienstag, 8. September 2009

Dienstag, 8. September 2009

POLITIK


Über die Ergebnisse der Landtagswahlen in drei deutschen Bundesländern wurde hierzulande tatsächlich nicht berichtet. Wer hätte das gedacht. Die Koalitionsbildung wird wohl schwierig und langwierig werden. Sind ja immerhin auch 5 Parteien am Werk. Wie war das früher doch schön einfach: Rot-Gelb oder Schwarz-Gelb oder Schwarz-Rot oder Rot-Grün – fertig. Aber jetzt, mit der LINKEn – das kann ja nichts werden. Oder doch? Vielleicht könnten die deutschen PolitikerInnen hier von ihren brasilianischen KollegInnen lernen.


In verschiedenen Diskussionen (z.B. beim „Churrasco“) hatte ich immer wieder mal gefragt, welche Parteien denn eigentlich hier an der Regierung beteiligt sind. Nie bekam ich eine zufriedenstellende Antwort. Gut, die PT („Partido dos Trabalhadores“ = Partei der Arbeiter), die Partei des Präsidenten, das ist klar. Dass die PMDB („Partido do Movimento Democrático Brasileiro“ = Partei der brasilianischen demokratischen Bewegung“) beteiligt ist, ist auch noch bekannt. Aber wer sonst noch?


Inzwischen weiß ich, warum die Antwort auf diese Frage hierzulande nicht zum Allgemeinwissen gehört. Die Sache verhält sich nämlich wie folgt:


In der Abgeordnetenkammer („Câmara dos Deputados“) sind 19 Parteien vertreten. Und jetzt kommt’s: Von diesen 19 Parteien gehören 12 Parteien ganz, weitere 4 teilweise zur Regierung. „Teilweise“ bedeutet, dass einzelne Abgeordnete aus diesen Parteien mit der Regierung, andere mit der Opposition stimmen.


Vielleicht sollte man also Präsident Lula für ein paar Tage nach Deutschland einladen und ihn bitten, dort die vergleichsweise lächerlich einfachen Koalitionen mal eben einzufädeln.


Wie diese hohe Schule der Koalitionsbildung funktioniert, konnte man Anfang der Woche in der hiesigen Zeitung nachlesen.


Die zweite Amtszeit des amtierenden Präsidenten endet Ende 2010. Eine weitere Amtszeit verbietet die Verfassung. (Dürfte er erneut kandidieren – er würde vermutlich mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt werden.)


Im Herbst 2010 finden Neuwahlen statt. Präsident Lula will seine Stabschefin namens Dilma, ebenfalls von der PT, als Nachfolgerin platzieren. Dazu braucht er mindestens die Unterstützung der PMDB. Diese Unterstützung gibt es natürlich nicht umsonst. Und so muss für jeden der 26 Bundesstaaten ein „Win-Win-Paket“ geschnürt werden. In unserem Bundesstaat, Mato Grosso do Sul, wird gerade folgende Variante diskutiert:


Der Präsident persönlich „ermuntert“ einen Parteifreund, bei den ebenfalls anstehenden Gouverneurswahlen nicht zu kandidieren und das Feld stattdessen dem Kandidaten der PMDB zu überlassen. Den Verzicht auf die Kandidatur gibt es natürlich nicht umsonst. Besagter Parteifreund darf stattdessen für das Bundesparlament kandidieren. Um sicherzustellen, dass er auch gewählt wird, muss einer der amtierenden Abgeordneten zum Verzicht auf eine erneute Kandidatur bewegt werden. Jetzt wird es eng. Ein adäquater Ausgleich ist nicht in Sicht, daher hat der amtierende Abgeordnete bereits damit gedroht, die Partei zu wechseln. Eine mögliche Lösung.


BRASILIEN UND DER 2. WELTKRIEG


In der vergangenen Woche wurde in Deutschland und ganz Europa des Beginns des 2. Weltkriegs vor 70 Jahren gedacht. In Brasilien fand dieses Thema nur am Rande Erwähnung, obwohl – was viele nicht wissen – auch Brasilianer in diesem Krieg gekämpft haben und dabei gestorben sind. Weit weg von der Heimat, in Europa, genau gesagt in Italien.


Anfang 1942 wurden brasilianische Handelsschiffe vor der brasilianischen Küste von italienischen und deutschen U-Booten beschossen. Brasilien befürchtete ein Übergreifen des Krieges auf das eigene Territorium. Um dies zu verhindern, aber wohl auch auf Drängen des damaligen US-Präsidenten F. D. Roosevelt stellte Brasilien die „Força Expedicionária Brasileira (FEB)“ zusammen, eine speziell ausgebildete Gruppe des brasilianischen Heeres in der Stärke von gut 25.000 Mann.


Mitte des Jahres 1944 wurde die „FEB“ nach Italien verschifft, um dort bis zum Kriegsende gegen die Faschisten zu kämpfen. Nicht nur die Kämpfe, sondern auch der strenge Winter 1944/45 mit in Brasilien nicht bekannten Temperaturen, wurden vielen Brasilianern zum Verhängnis. In Rio de Janeiro erinnert ein von Oscar Niemeyer, dem Erbauer der Hauptstadt Brasilias, errichtetes Denkmal an die Gefallenen.


Letzte Woche besuchte ich das Museum, welches hier in der Stadt an die FEB erinnert. Die ausgestellten Fotos sind sehr eindringlich. Ich verneige mich respektvoll.


KARATÊ


Brasilien war und ist ein Einwanderungsland. Wer hier geboren wird, ist Brasilianerin bzw. Brasilianer – unabhängig von der Herkunft der Eltern. Basta. Eine große „Comunidade“ in unserer Stadt sind die Japaner – oder genauer gesagt: Die Brasilianer japanischer Herkunft. Für deutsche Augen und Ohren wirkt es äußerst ungewohnt, wenn jemand mit japanischer Physiognomie sich laut und wild gestikulierend unterhält – und dann noch auf Portugiesisch. Und würde man diese Person fragen, ob er oder sie Japanerin oder Japaner ist, so wäre die Antwort höchstwahrscheinlich ungefähr so: „Mein Großvater war Japaner.“ Klammer auf: Ich bin Brasilianer. Klammer zu.


Wo es japanische Traditionen gibt, da darf Karate (hier: Karatê) nicht fehlen. Tatsächlich gibt es zahlreiche „Academias de Karatê“ in unserer Stadt. Das ist erfreulich für unsere Kinder, haben sie doch bei der TSG Wiesloch sieben bzw. vier Jahre lang Karate praktiziert. An dieser Stelle vielen herzlich Dank an die engagierten Trainer Daniel und Volker von der TSG Wiesloch.


Letzte Woche absolvierten sie ihr erstes Training hier in Campo Grande – bei „Professor Arani“. („Professor“ bedeutet herzulande schlicht „Lehrer“.) Die Resonanz unserer Kinder war sehr positiv. Maßgeblich dazu beigetragen hat sicher der Umstand, dass Karate weltweit (weitgehend) einheitlich ist. Da zeigt sich mal wieder, was globale Standards wert sind. Eine „Kata“ im Karate ist halt überall gleich – sei es in Wiesloch oder in Campo Grande.


BRASILIEN vs. ARGENITINIEN


Der sportliche Höhepunkt der Woche war natürlich das WM-Qualifikationsspiel Brasilien gegen Argentinien. Argentinien ist mit Abstand der „Lieblingsfeind“ der Brasilianer – nicht nur in sportlicher Hinsicht.


Lange Zeit waren die Argentinier die reichen Nachbarn aus dem Süden, die die brasilianischen Strände bevölkerten. Und da muss es wohl mal vorgekommen sein, dass ein argentinischer Tourist es an der gebotenen Zurückhaltung fehlen ließ.


Mit dem Defacto-Zusammenbruch der argentinischen Wirtschaft im Jahre 2002 wurde aus dem reichen plötzlich der notleidende Nachbar. Die Rivalität in sportlicher Hinsicht ist geblieben.


Spiele der „Seleção“ werden natürlich in größerer Runde verfolgt, z.B. auf einem Fernseher im Hof oder auf der Veranda, mit eisgekühlten Getränken (z.B „Cerveja“). Da es in Brasilianer ca. 180 Millionen Fußballexperten gibt, die jederzeit bereit und in der Lage sind, den Nationaltrainer sachkundig zu beraten, ist stets jede Menge Fußballsachverstand garantiert.


Das Ergebnis vom Samstag ist bekannt. Brasilien führte nach einer halben Stunde bereits 2:0. Maradona begann, an seinen Fingernägeln zu kauen. (Diese Szenen wurden vom brasilianischen Fernsehen reichlich ausgekostet.) Argentinien durfte einen Treffer erzielen, bevor dann Brasilien den Sack zumachte. 3:1 – und das in Argentinien. Brasilien ist damit für die WM in Südafrika qualifiziert, für Argentinien wird es eng.


Im Oktober findet – nach über zehn Jahren – in Campo Grande mal wieder ein Länderspiel statt. Das – für Brasilien dann bereits bedeutungslose – WM-Qualifikationsspiel gegen Venezuela. Wir werden uns – wie 700.000 andere Campo-Grandenser – um Karten bemühen.


CHURRASCO


Endlich mal wieder ein Sonntag mit Churrasco. Trotz Regen. Dank überdachter Veranda. Meine Frau hatte letzte Woche einen ihr bis dahin nicht bekannten Cousin („Primo“) namens Ronaldo kennen gelernt. Ronaldos Vater und Orianas Urgroßmutter waren Geschwister. Ronaldo ist zwar älter als meine Frau, aber zu jung um als Onkel durchzugehen. Also Cousin. Dass die Verwandtschaftsbeziehungen hier nicht juristisch-mathematisch präzise zu verstehen sind, sagte ich ja bereits.


Ronaldo ist verheiratet und hat drei Kinder. Seine älteste Tochter promoviert zurzeit – jawohl! – in Bayern, in Regensburg!


ENDE


Ich wünsche Euch allen eine schöne letzte Schulferienwoche.