Was meine Kinder hier machen, habe ich bereits verschiedentlich dargestellt: Schule, Hausaufgaben, Karate etc. Meine Frau hat inzwischen angefangen, sich medizinisch zu betätigen. Bleibt die Frage, was ich eigentlich den ganzen lieben langen Tag hier so treibe. Hier kommt die Antwort.
Zunächst ist da die – auch für mich selbst – überraschende Erkenntnis: Obwohl ich keiner Erwerbsarbeit nachgehe, ist Zeit ein knappes Gut. Von Langeweile keine Spur. Es folgt ein typischer Tagesablauf.
Der Tag beginnt zwischen 6 Uhr und 6:30 Uhr. Zu dieser Zeit ist es bereits hell. An jedem Tag des Jahres. Frühstücken, E-Mails lesen und beantworten, Online-Nachrichten lesen, Zeitung lesen. Eine Stunde Workout in der Academia. Täglich. Montag bis Samstag. Es folgen unentgeltliche Beratungsleistungen für Hausaufgaben sowie privater Englischunterricht für meine Kinder. Mittlerweile ist es 11 Uhr. Zeit, um mit den Vorbereitungen für das Mittagessen zu beginnen. Gegen 12:15 Uhr Mittagessen („Almoço“). 12:45 h: Die Kinder verlassen das Haus in Richtung Schule.
Die Gestaltung des Nachmittags obliegt meiner Kreativität: Bücher lesen, Aktivitäten in der Stadt, Blog schreiben, Veranstaltungen besuchen, Leute treffen, Kurse besuchen etc. Ruckzuck ist es Abend, die Kinder kommen aus der Schule. Noch Fragen?
WEITERBILDUNG
Der Imperativ des lebenslangen Lernens bleibt natürlich auch während einer beruflichen Auszeit in Kraft. Dieser Erkenntnis folgend, habe ich in der vergangenen Woche meinen ersten Kurs absolviert. Anbieter des Kurses ist die Institution SEBRAE – eine Mischung aus Volkshochschule und IHK.
Thema des 4-tägigen Kurses: „Kommunikation“, insbesondere das freien Sprechen vor Publikum.Nun habe ich ja eine gewisse Erfahrung, was das Sprechen vor Publikum anbelangt. Diese beschränkte sich bislang jedoch auf die Sprachen Deutsch und Englisch. Meine Kenntnisse der portugiesischen Sprache sind – bei aller Bescheidenheit – recht ordentlich. Das freie Sprechen vor Publikum in dieser Sprache war dann aber doch eine Herausforderung.
Ich wiederhole mich vermutlich, wenn ich sage, dass wir alle mit den Herausforderungen wachsen. Am vorletzten Kurstag durften alle Kursteilnehmer nacheinander die Bühne für sich beanspruchen und das Publikum bis zu 5 Minuten mit einem interessanten Redebeitrag in den Bann ziehen – vor laufender Kamera. Am letzten Kurstag wurden die Aufnahmen seziert und analysiert. Eine Übung mit enormem Erkenntniswert. Einen Auszug aus meinem Redebeitrag - natürlich mit einem gediegenen bayerischen Akzent - gibt es hier zu sehen und zu hören.
SPRACHE
Apropos Sprache. Die portugiesische Sprache gilt als Weltsprache, also als eine jener Sprachen, welche als Verkehrssprache weit über ihr ursprüngliches Sprachgebiet hinaus Bedeutung erlangt hat. Trifft zu, wenn man vom kleinen Portugal auf das große Brasilien schaut.
Wenn man die Sprachen der Welt nach der Anzahl der Muttersprachler sortiert, so findet sich Portugiesisch auf Platz 6, hinter Mandarin, Spanisch, Englisch, Hindi/Urdu und Arabisch – vor Bengalisch und Russisch. Zählt man diejenigen Personen hinzu, welche eine Sprache als Zweitsprache sprechen, so ziehen Bengalisch und Russisch vorbei und wverweisen Portugiesisch auf Platz 8.
Portugiesisch hat sich im Laufe der Jahrhunderte, wie alle anderen romanischen Sprachen, aus dem sog. Vulgärlatein entwickelt, das die römischen Besatzer und Siedler auf die iberische Halbinsel mitbrachten. Es weist jedoch gegenüber anderen romanischen Sprachen einige Besonderheiten auf.
So hat das Portugiesische die sog. Lautverschiebung im Spanischen nicht mitgemacht. Im Spanischen findet man heute zahlreiche Wörter mit einem „h“, wo ursprünglich mal ein „f“ stand. Beispiele:
- Spanisch: hacer, hoja, hija, hacienda, almohada
- Portugiesisch: fazer, folha, filha, fazenda, almofada
Interessant ist auch die Form der Anrede. In den vielen Sprachen gibt es ja eine Anredeform für die „Nähe“ (Du) und für die „Ferne“ (Sie). So auch im Portugiesischen. Die Höflichkeitsform wird grammatikalisch mit der 3. Person gebildet – wie im Italienischen und Spanischen auch (im Gegensatz zum Französischen, welches die 2. Person Plural benutzt).
Aber jetzt die „Du“-Form. Während in Portugal und im Süden von Brasilien noch die „tu“-Form verwendet wird, kennt der größte Teil Brasiliens nur das „você“ (grammatikalisch mit der 3. Person). „Você“ ist die Verschmelzung von „vossa mercê“, was so viel wie „Euer Gnaden“ bedeutet.
Dies bedeutet, dass die Brasilianer, wenn sie sich duzen, kurioserweise eigentlich eine alte Höflichkeitsform verwenden. Dadurch gewinnt das „você“ eine viel größere „semantische Breite“ als etwa das deutsche „Du“. Will sagen: In Brasilien landet man sehr schnell beim „você“. In der Werbung etwa wird ausschließlich diese Form verwendet.
Das „Schmankerl“ für Freunde der Grammatik ist jedoch ganz klar der „persönliche Infinitiv“ in der portugiesischen Sprache. Wie bitte? Haben wir nicht in zahllosen, nicht enden wollenden Lateinstunden gelernt, dass der Infinitiv unveränderlich ist? Nicht so im Portugiesischen. Wollte man das ins Deutsche übertragen, so kämen Sätze zustande wie der Folgende: „Vor dem Du-gehen aus dem Haus, solltest Du noch etwas essen.“
Wieder was gelernt. Genug für heute.
Samstagmorgen, 9 Uhr. Strahlend blauer Himmel. Sonnenschein. Geschätzte 28 Grad. Was fangen wir mit diesem herrlichen Tag an? Wir sind uns einig: Das ist die Gelegenheit, endlich mal – nach knapp drei Monaten – die hiesige Stadtrundfahrt zu machen.
Aus Deutschland habe ich die Erfahrung mitgenommen, dass eine mir unbekannte Stadt sich mir am besten mit einer Stadtführung erschließt. Zu Fuß. Die Ausmaße unserer Stadt Campo Grande erlauben es jedoch nicht, die wichtigsten „pontos turísticos“ in überschaubarer Zeit abzuschreiten. Also mit dem Bus. Unten klimatisiert, oben offen. Wir sitzen oben. Tolle Aussicht. Vorsicht beim Unterqueren von Stromleitungen. Auch einzelne Äste der zahlreichen Bäume der Stadt können schon mal gegen die Mindestdurchfahrtshöhe verstoßen. Abenteuer halt.
Vieles kennen wir natürlich bereits. Neu ist für mich jedoch etwa die Tatsache, dass Campo Grande die erste brasilianische Landeshauptstadt („capital“) war, welche Elendsviertel („favelas“) erfolgreich „saniert“ hat. Und zwar durch – so würden wir das in Deutschland wohl nennen – sozialen Wohnungsbau und soziale Unterstützung anderer Art.
Oder aber, dass im ältesten Hotel der Stadt einst Che Guevara übernachtete – wenngleich unter falschem Namen. Von hier aus sind es ja nur ca. 300 km bis zur bolivianischen Grenze. Und dort ist er ja zu Tode gekommen.
DOG TRAINER
Unsere Tochter entwickelt sich langsam aber sicher zur kompetenten Hundetrainerin („treinador de cachorro“). Dafür müssen dann auch schon mal Einrichtungsgegenstände geeignet platziert werden. Das nachfolgende Video dokumentiert erste beeindruckende Erfolge.
SOMMERZEIT
Vor einer Woche begann hier die Sommerzeit. An diesem Sonntag hat nun in Deutschland die Sommerzeit geendet. Damit verringert sich der Zeitunterschied auf 4 Stunden.
Ich wünsche allen eine schöne letzte Oktoberwoche.