Sonntag, 21. Februar 2010

Sonntag, 21. Februar 2010

CARNAVAL


Der Karneval („carnaval“) 2010 ist Geschichte. Die begehrten Auszeichnungen für die besten Samba-Schulen sind verteilt. Nach dem Karneval ist vor dem Karneval. Doch während in Köln, Mainz oder Düsseldorf das närrische Treiben mit Anbruch des Aschermittwochs schlagartig abstirbt, ist hier in Brasilien längst noch nicht alles vorbei. Doch dazu später.


Karneval in Brasilien, das heißt – von Europa aus betrachtet – in erster Linie: Rio de Janeiro, kaum bekleidete Samba-Tänzerinnen, riesige Menschenmengen im ausgelassenen Freudentaumel bei 40 Grad. Aber da ist noch mehr.


Was in deutsche Wohnzimmer übertragen wird, ist nur der professionelle Karneval – der Umzug („desfile“) der Samba-Schulen („escolas de samba“). Eine Samba-Schule ist eine große Organisation mit tausenden von Mitgliedern, welche historisch stark in den Stadtteilen verankert ist und immer auch soziale Ziele verfolgt.


Samba-Schulen gibt es jedoch nicht nur in Rio, sondern in den meisten Städten Brasiliens. Nun ist Campo Grande keine Karnevals-Hochburg wie Rio, Köln oder Malsch. Doch auch hier trifft man sie an, die „escolas de samba“. Und sie werden, wie ich höre, jedes Jahr besser.


Daneben gibt es jedoch noch jede Menge „blocos“ – kleinere und eher amateurhafte Gruppen, welche sich zusammentun und mit eigenen Liedern, Kostümen und Motivwagen sich dem Publikum auf der Straße präsentieren. Straßenkarneval eben.


Der Samstag und der Sonntag gehören üblicherweise den „escolas de samba“, Montag und Dienstag den „blocos“. Während in das „sambódromo“ von Rio gerade mal 75.000 Zuschauer passen, versammeln sich beim Straßenkarneval in Rio, São Paulo und Salvador Millionen von Menschen.


Zahlenmäßig hat hier übrigens Salvador die Nase vorn. Laut „Guinness-Buch der Rekorde“ von 2005 ist das größte Straßenfest der Welt – na? richtig! – der Karneval von Salvador da Bahia ist.


Der „Carnaval de Campo Grande 2010“ fällt teilweise – im wahrsten Sinne des Wortes – ins Wasser. Um diese Zeit regnet es halt recht viel – von Dezember bis Februar fast so viel wie in Deutschland in einem ganzem Jahr.

Am Samstagabend geht gar nichts. Am Sonntag sieht es zunächst ähnlich aus. Dann versiegt der Regen doch noch, die Samba-Schule, etwa ein Dutzend, dürfen zeigen, was sie drauf haben.


Tags darauf sind die „blocos“ dran. Das Spektakel beginnt abends gegen 21 Uhr. Der Oberbürgermeister wünscht gutes Gelingen, los geht’s. Aber nur nichts Überstürzen. Erst mal muss man sich ja warm trommeln, warm singen, warm tanzen. Ich gewinne den Eindruck, dass die teils stundenlange Vorbereitung auf den wenige Minuten dauernden Auftritt das Hauptereignis ist. Alle sind gut drauf, entspannt, unaufdringlich.



Vorne weg tanzen die „Königin“ („rainha“) und „König Momo“, ein beleibter Herr – sozusagen das Faschingsprinzenpaar. Momo geht angeblich auf den Gott des Spaßes in der griechischen Mythologie zurück. Wie diese Figur nach Brasilien gelangt ist, ist mir allerdings schleierhaft.


Wie überhaupt der brasilianische Karneval einer anderen Tradition folgt als der deutsche. Der Pariser Karneval war es angeblich, der Städte wie New Orleans, Toronto und eben auch Rio zur Nachahmung inspiriert hat.


Und dann wäre da noch das Wort „Karneval“. Die Herkunft des Begriffs ist nicht eindeutig geklärt. Folgende Geschichten sind im Angebot: 1. „Carrus navalis“, ein Umzugswagen in Form eines Schiffes, mit Narren an Bord, das Narrenschiff also. Kleiner Schönheitsfehler: Der Ausdruck klingt zwar sehr lateinisch, soll aber im klassischen Latein gar nicht existiert haben. 2. „Carne vale“, „Fleisch lebe wohl“. Ein Hinweis darauf, dass der gläubige Katholik während der Fastenzeit sich von fleischlichen Genüssen abzuwenden hat.



Während also der Kölner Jeck bereits Buße tut, seine Sünden bereut und nach Kräften fastet, fiebert der Brasilianer der Preisverleihung („premiação“) entgegen. Am Aschermittwoch werden die Gewinner bekannt gegeben: Die beste „escola de samba“, der beste „bloco“, die beste „bateria“ (Percussion) und vieles mehr.

Die entsprechenden Preise werden – zumindest hier in Campo Grande – dann am darauffolgenden Freitag verliehen. Das muss natürlich auch noch einmal kräftig gefeiert werden. Insofern verkürzt sich – rein rechnerisch – Fastenzeit schon einmal.



Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass die Brasilianer beste Beziehung nach ganz oben haben. Schließlich ist Gott ein Brasilianer, wie jeder hier weiß.


HEILFROH

Mehr und mehr komme ich zu der Erkenntnis, dass meine Frau Oriana über wundersame Heilkräfte verfügt. Es ist ihr nicht einfach so in den Schoß gefallen. Wie so oft im Leben, steht am Anfang die Transpiration, gefolgt von Intuition und Inspiration, idealerweise abgerundet durch eine angemessene Kompensation.


Wie schon in Deutschland, so vermag sie auch hier geplagte Menschen von jahrelangen Schmerzen ganz oder teilweise zu befreien. Meine aufrichtige Bewunderung ist ihr gewiss. Auch ich selbst kam unlängst in den Genuss ihrer Heilkunst. Habe ich doch vor gut einer Woche meinen linken Fuß derart nach außen umgeknickt, dass ich hören konnte, wie das entsprechende Band teilweise riss oder zumindest bis ans Bersten gezerrt wurde. Innerhalb von Minuten war der Knöchel so dick, als hätte ich das berüchtigte Wasser in den Beinen. Ich sah mich bereits die nächsten 8 Wochen mit Krücken durch Brasilien humpeln.


Oriana, meine Rettung – auch in dieser Lebenslage. Hier ein paar Globuli, dort ein paar Laserstrahlen. Dazu viel Gespür und Hingabe. Was soll ich sagen? Kaum eine Woche später könnte ich schon wieder Samba tanzen. Wenn ich es denn könnte.


SOMMERZEIT


Mit Beginn des heutigen Sonntags endet hier die Sommerzeit. Wie Europa, so ist auch hier der Nutzen dieser Maßnahme umstritten. Von 0,5% Energieeinsparung im Bundesstaat Mato Grosso do Sul ist die Rede. Na ja. Ein halbes Prozent von ganz viel ist immer noch viel. Unbestritten dagegen ist, dass die Zeitdifferenz zwischen hier und Deutschland nunmehr 5 Stunden beträgt.


Wir freuen uns auf unsere Reise nach Rio de Janeiro in der kommenden Woche und wünschen Euch allen besinnliches Fasten.

Donnerstag, 11. Februar 2010

Donnerstag, 11. Februar 2010

SCHULANFANG


In Gedanken durchleben wir immer wieder mal die einie oder andere Etappe unserer schönen Reise. Die schöne Landschaft, das gute Essen in Minas Gerais, die atemberaubenden Strände in Bahia. Doch auch die längsten Schulferien gehen irgendwann einmal zu Ende. Das neue Schuljahr beginnt am Montag, den 1. Februar. Und zwar mit Aufstehen morgens um 6 Uhr. Unterrichtsbeginn Schlag 7 Uhr.


Im winterlichen Deutschland könnte man diese Zeiten vielleicht in Frage stellen oder gar als „unchristlich“ bezeichnen. Nicht aber im spätsommerlichen Campo Grande. Zwar haben wir noch Sommerzeit; mit dem Ergebnis, dass es zum Zeitpunkt des Weckerklingelns noch nicht vollständig hell ist. Warm ist es aber. Und bis es heiß wird, ist es nur eine Frage von wenigen Stunden. Also die Kühle des Morgens nutzen, wenn das Gehirn noch frisch ist und sich noch nicht dem Druck der Sonnenstrahlen ergeben möchte.


Marcus ist nun im „Ensino Médio“. So bezeichnet man die letzten 3 der insgesamt 12 Jahre im brasilianischen Schulsystem. Seinem ersten Eindruck nach sind Niveau und Anforderungen spürbar höher. Recht so. Wir wollen ja schließlich was bekommen für unser Geld.


Eine Woche später beginnt der zusätzliche Englischkurs für unsere Kinder. Der Fremdsprachenunterricht an Brasilien Schulen ist unbestrittenermaßen ausbaufähig. Im letzten Schuljahr sah der Stundenplan unserer Kinder zwei Stunden Englisch vor. In diesem Jahr je eine Stunde Englisch und Spanisch. Da kann man keine großen Sprünge erwarten. Also schickt jeder, der es sich leisten kann, seine Kinder zu einer privaten Sprachenschule.

Sprachschulen haben derzeit Hochkonjunktur. Viele Brasilianer glauben, in Hinblick auf die Mega-Events „COPA2014“ und „RIO2016“ Englisch lernen zu müssen. Und weil viele Brasilianer sich mit dem Englischen schwer tun, ist das Geschäft mit den Englischkursen auf absehbare Zeit gesichert.


In unserer Nachbarschaft befindet sich eine Filiale von „CCAA“, einer privaten Sprachenschule auf Franchising-Basis. Oriana hat in ihrer Jugend dort bereits Englisch gelernt. Damals galt noch die Regel, dass der oder die Klassenbeste nichts bezahlen muss. Diese Chance ließ sie sich nicht entgehen. Diese Regelung besteht heutzutage nicht mehr. Der Unterricht bewegt sich jedoch nach wie vor auf hohem Niveau. Die Lehrerinnen und Lehrer sprechen makelloses Englisch. American English“ natürlich. Das Vereinigte Königreich ist aus hiesiger Sicht eine eher kleine Insel irgendwo da draußen auf dem Meer.


Unsere Kinder müssen, in Hinblick auf unsere Rückkehr nach Deutschland, ja auch noch in puncto Französisch am Ball bleiben. Die klassische Sprache der Diplomatie ist in diesem Teil Brasiliens nun eher exotisch. Hier in der Stadt beschränkt sich das Angebot auf eine Zweigstelle der „Alliance Francaise“ („aliança francesa“), welche exklusiven Einzelunterricht oder Unterricht in kleinen Gruppen anbieten. Ich gewinne den Eindruck, dass sich unsere Kinder recht schnell an diese VIP-Behandlung gewöhnt haben.


Um also eine Schulbildung in der Breite, wie wir sie aus Deutschland gewohnt sind, in Brasilien zu realisieren, muss man erstens Geld auf den Tisch legen und zweitens organisatorisches Geschick beweisen, um all die miteinander konkurrierenden Termine unter einen Hut zu bringen. Für die Physis will ja schließlich auch noch etwas getan werden: Karate, Fitnessstudio, Schwimmen. Habe ich was vergessen?


SPRACHSCHWIERIGKEITEN


Dass die englische Sprache so manchem Brasilianer Probleme bereitet, liegt sicherlich auch an gewissen Regeln für die Aussprache des brasilianischen Portugiesisch, welche mit dem Englischen in keiner Weise kompatibel ist. Und diese in den Köpfen hart verdrahteten Regeln plötzlich über Bord zu werfen, das ist offenbar sehr schwer.


Eine dieser Ausspracheregeln besagt, dass ein Wort, dessen letzter Buchstabe b, c, f, g oder p t ist, in der Aussprache ein unbetontes „i“ hintergeschoben bekommen muss. Endet das Wort auf d oder t, wird sogar noch ein leichtes „sch“ eingefügt. Im Falle So wird etwa „big“ in der Aussprache zu „bigi“, „laptop“ zu „läptitopi“, „internet“ zu „internetschi“ etc.


Machen wir uns nicht lustig darüber. Erstens fällt es uns allen schwer, liebgewonnene Gewohnheiten uns abzutrainieren. Zweitens ist das brasilianische Portugiesisch gerade wegen dieser und anderer Ausspracheregeln eine sehr weiche, melodische, ja regelrecht sinnliche Sprache.


Die Regeln passen halt nicht zum Englischen, wie im Übrigen auch nicht zum Deutschen. Das Umgekehrte gilt jedoch ebenso. Nehmen wir mich zum Beispiel. Meinen gediegenen deutschen Akzent („sotaque“) werde ich behalten – ob ich will oder nicht.


FRANK UND TOM


Dass bei aller Unterschiedlichkeit des Englischen und des Portugiesischen diese beiden Sprachen dennoch wundervoll harmonieren können, haben spätestens Frank und Tom bewiesen. Und zwar vor über 40 Jahren. Die Rede ist von Frank Sinatra und Tom Jobim.


Während „The Voice“ in europäischen Breiten keiner Vorstellung bedarf, kann mit dem Namen Antônio Carlos Jobim, dem wohl berühmtesten brasilianischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, nicht gleich jeder etwas anfangen. Und doch kennt praktisch jeder eines seiner Werke: „Garota de Ipanema“ – „The Girl von Ipanema“. Und diese zwei Herrschaften haben sich offenbar gegenseitig sehr geschätzt, zusammen musiziert und u.a. dieses Stück zusammen eingespielt. Achtung, fertigmachen, was kommt, geht unter die Haut:







Ipanema ist übrigens der Name eines Strandes in Rio de Janeiro, gleich neben der Copacabana. Ende Februar werden wir dort sein. Dann dazu mehr.


UDO JÜRGENS HAT DOCH RECHT


Bum. Das muss der Knall aus Walldorf gewesen. „Der Alte ist wieder da“, titelt das Handelsblatt am 8.2.2010 und meint den 66-jährigen Hasso Plattner. War er denn jemals weg? Wie auch immer. Wenn das der Udo Jürgens wüsste. Er wurde letztes Jahr 75, und beim ihm ist „noch lange nicht Schluss“.


Sein legendäres Lied ist übrigens auch schon wieder über 30 Jahre alt. Hier der Beweis aus der ZDF-Hitparade von 1977.


Ich wünsche Euch allen – Kälte hin oder her – ein heißes Faschingswochenende.