Dienstag, 27. April 2010

Dienstag, 27. April 2010

SAMBA


Anfang der achtziger Jahre besuchte ich in München ein Konzert des brasilianischen Gitarristen, Komponisten und Sängers Baden Powell. Die Wirkung dieses Abends sollte nachhaltig sein. Meine Begeisterung für brasilianische Musik war entfacht und ist es bis zum heutigen Tag geblieben.


Was liegt also näher als meine Zeit in Brasilien auch dafür zu nutzen, mich auf musikalischem Gebiet weiterzubilden? Ich fasse den Entschluss, das Instrument Cavaquinho zu erlernen.


Das Cavaquinho ist fester Bestandteil einer jeden Samba-Formation. Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Gitarre für Kleinkinder. Trotz der unscheinbaren Größe kommt ihm jedoch eine zentrale Bedeutung zu, da es sowohl das harmonische Fundament liefert als auch den Rhythmus vorantreibt. Und die im Samba verwendeten Akkordfolgen sind wesentlich komplexer als jene drei Akkorde, welche für bayerische Volksmusik oder Rock’n’Roll ausreichen.


Dieses putzige Instrumentchen besitzt 4 stahlharte Saiten, welche von der rechten Hand mit einem Plektron (»palheta«) angeschlagen werden. Und zwar häufig ziemlich schnell, und stets in einem nicht trivialen Rhythmus. Für die linke Hand hat dies zur Folge, dass das Instrument erst dann schmerzfrei bedient werden kann, wenn sich eine ordentliche Hornhaut auf den Fingerkappen herausgebildet hat.


Nun ist brasilianische Musik nicht mit Samba gleichzusetzen. Doch ist der (und bitte nicht: die!) Samba ein wesentliches Element, welches in die allermeisten Stilrichtungen hineinwirkt. Für die Gesamtheit der brasilianischen populären Musik verwendet man den Begriff »Música Popular Brasileira«, kurz »MPB«. Im Unterschied zu dem, was wir etwa in Deutschland als Popmusik verstehen, zeichnet sich MPB durch eine enge Verbindung zur traditionellen brasilianischen Musik aus. Auch wird MPB quer durch alle Alters- und sozialen Schichten gehört. »Volksmusik« im besten Sinne des Wortes also.


Viele der ganz großen Künstler sind seit Jahrzehnten aktiv. Allen voran Roberto Carlos. In Europa ist der gleichnamige Fußballspieler vermutlich besser bekannt. Man kann jedoch getrost davon ausgehen, dass dessen Mutter den Sänger Roberto Carlos sehr verehrte und daher ihrem Sohn den Namen gab. Roberto Carlos hat eine dreistellige Millionenzahl von Alben verkauft. Millionen von Brasilianern, vorwiegend Brasilianerinnen, könnte man nachts um drei wecken, und sie würden einem mindestens ein Dutzend Hits von Roberto Carlos auswendig vorsingen.


Ein wesentliches Merkmal der »Música Popular Brasileira« ist, dass in der Landessprache, also in Portugiesisch, gesungen wird. Dies dürfte auch der wesentliche Grund dafür sein, dass brasilianische Musik in Europa, von Portugal und vielleicht noch Spanien abgesehen, weitgehend unbekannt ist. »Lambada« ist da eher die Ausnahme, welche die Regel bestätigt.


Cavaquinho also. Die Stimmung der Saiten (d’-g’-h’-d’’) ist mit der Stimmung der vier höchsten Saiten einer Gitarre (d-g-h-e’) zu drei Vierteln identisch und erleichtert meiner linken Hand, welche mit der Gitarre vertraut ist, somit die Arbeit.


Eine Herausforderung dagegen ist die Benennung der musikalischen Noten. Im englisch-sprachigen Raum pflegt man ja die musikalischen Noten der C-Dur-Tonleiter (das sind die weißen Tasten auf dem Klavier) mit den Buchstaben c, d, e, f, g, a, b, c zu bezeichnen. Deutschland brät insofern eine Extrawurst, als das »b« hier »h« heißt, während das deutsche »b« im Englisch »b flat« genannt wird. Details.


Im romanischen Sprachraum jedoch, also auch in Brasilien, ist es wieder anders. Hier sind die Bezeichnungen Do-Re-Mi-Fa-So-La-Si-Do üblich. Als international agierender Musiker muss man halt geistig flexibel sein.


Während der Entschluss, dieses Instrument zu erlernen, in mir noch im Reifen begriffen ist und ich ausführlich das Für und Wider gegeneinander abwäge, schafft meine Frau Tatsachen. Sie begibt sich in ein Musikinstrumentengeschäft, lässt sich die Telefonnummer eines Lehrers für Cavaquinho geben, kehrt nach Hause zurück, ruft diesen augenblicklich an und reicht mir den Hörer. Äh, wer? Ach so, hallo, ja, tudo bem? Ok, alles klar. Dann bis Dienstagabend. Er heißt Luis.


Es ist Dienstagabend. Ich klingle an der angegebenen Adresse. Nichts passiert. Ich drücke abermals den Knopf. Eine Frau öffnet, ich erkläre mich, sie weist nach hinten, auf die Veranda, zu den anderen und ruft mir noch nach, dass die Tür doch immer offen sei. Ach so.


Die anderen, das sind fünf Schüler und ein Lehrer. Der Lehrer ist derjenige, welcher als einziger kein Cavaquinho, sondern eine Sambatrommel, ein sogenanntes »tantã« auf dem Schoß hält.


Er begrüßt mich mit dieser wunderbaren brasilianischen Freundlichkeit, die mit einem einzigen Lächeln und ganz ohne Worte eine ganze Botschaft vermittelt: »Komm herein, sei uns willkommen, fühle Dich wie zuhause, entspanne Dich, wir freuen uns, dass Du da bist, sei einfach Du selbst, ich habe nicht viel anzubieten, aber das Wenige will ich gerne mit Dir teilen.«


Ich nehme diese Einladung gerne an und setze mich in die Runde. Luis sitzt im Rollstuhl. Außerdem wollen die Finger seiner rechten Hand nicht mehr so recht. Das Instrument, das er unterrichtet, kann er selbst seit vielen Jahren nicht mehr spielen. Autounfall.


Das tut der Qualität des Unterrichts keinerlei Abbruch. Ein guter Lehrer unterrichtet seine Schüler schließlich nicht dadurch, dass er das zu Erlernende vormacht. Ich hatte mal eine Klavierlehrerin, die spielte in all den Jahren während meiner Unterrichtsstunden keine einzige Note. Eigentlich weiß ich gar nicht, ob sie überhaupt Klavier spielen kann.


Zurück zu Luis. Sein Unterricht ist eine gruppendynamische Meisterleistung. Bei ihm gibt es keinen Einzelunterricht. Es sind immer drei, vier, fünf Schüler anwesend. Luis widmet sich im Wechsel den Einzelnen, bittet mitunter die Fortgeschrittenen, den Anfängern etwas zu zeigen.


Zwischendurch wird immer wieder in der Gruppe gespielt. Der Meister sagt dazu an, was zu spielen ist, gibt mit seiner Trommel Tempo und Takt vor, singt dazu – mal Text, mal Akkordsequenzen, unterbricht bei falschen Tönen, korrigiert, spricht seine Schüler mit »professor« an. Mit einem Wort: Der Unterricht ist ein einziges »Happening«.


Der Rhythmus. Die einfachste Variante für mich, den Anfänger ist die Folgende. Sei »ta« ein betonter Abschlag und »ki« ein unbetonter Aufschlag, jeweils vom Wert einer Sechzehntelnote. Dann geht das wie folgt ab: ta-ta-ki-ta-ta-ki-ta-ki-ta-ki-ta-ki-ta-ta-ki-ta-ki-ta-ki-ta-ta-ki etc.


Man muss es halt ein paar tausend Mal üben, schon geht es ganz locker von der Hand.


Luis unterrichtet auch schon mal Jugendliche, die kein Geld für den Unterricht haben. Schließlich ist es besser, wenn sie Musik machen als auf der Straße herumlungern.


Im Moment aber braucht Luis selbst Hilfe. Genau genommen seine 82-jährige Mutter. Die alte Dame ist krank und braucht eine spezielle Behandlung, welche sie selbst bezahlen muss. Da könnte man nun jammern und wehklagen und über das Gesundheitssystem lamentieren.


Weil dies aber die Situation in keiner Weise verbessern würde, wird stattdessen beschlossen, alle Freunde und Bekannte für Sonntagmittag einzuladen, ein einfaches Essen zu reichen, dafür einen etwas höheren Preis zu verlangen mit dem Hinweis, dass der Erlös dem guten Zweck zu Gute kommt.


So treffen sich die »Amigos do Luis« im Innenhof einer örtlichen Sambaschule. Luis muss ein glücklicher Mensch sein, denn er hat offenbar viele Freunde. Etwa zweihundert sind gekommen, um mit ihrem Obolus die kranke Mutter zu unterstützen.


Der geräumige Innenhof beherbergt mehrere große blühende »Paineiras«. Das sind große breitkronige Bäume, welche angenehmen Schatten spenden und im Deutschen den sperrigen Namen »Florettseidenbaum« tragen. Meine Frau weist daraufhin, dass wir uns quasi in einem brasilianischen Biergarten befinden. Das ist eine sehr treffende Bemerkung, die aber eigentlich von mir kommen hätte müssen.


Natürlich gibt es Samba. Live und handgemacht. Man unterhält sich und freut sich des Lebens und ist optimistisch, dass die alte Senhora wieder genesen wird.


Nebenbei trifft meine Tochter Deborah ihre Lieblingslehrerin Arlete. Sie ist Luis‘ Schwester. Die Welt ist auch in Campo Grande ein Dorf.


Zweimal die Woche, mittwochs und freitags, melde ich mich gegen 19 Uhr zuhause ab. Die folgenden zwei bis drei Stunden geht es um Samba. Wir machen Musik, in den Pausen unterhalten wir uns über Gott und die Welt. Und dabei gibt es immer ordentlich zu Lachen. Luis hat sich seine Lebensfreude nämlich nicht nehmen lassen – körperliche Beeinträchtigung hin oder her. Dafür hat man Familie und Freunde, die einem helfen.


An diesen Abenden lerne ich nun also das Instrument Cavaquinho. Und noch Vieles mehr. Morgen wieder.

Sonntag, 11. April 2010

Sonntag, 11. April 2010

MÄNNERSACHE


Gründonnerstag, abends gegen 23 Uhr. Etwa 40 Männer im Alter zwischen 20 und 65 Jahren machen sich auf den Weg zu einem geradezu archaischen Abenteuer. Die Rede ist vom Angeln. Ort des Geschehens: Der Pantanal.


Und das im einundzwanzigsten Jahrhundert? Die Mehrzahl der Teilnehmer sind Mitglieder einer Freimaurerloge, der „Grande Loja“. Man sagt jedoch, dass sich das Angeln auch in anderen Männerzirkeln nach wie vor großer Beliebtheit erfreut.


Von meinem angeheirateten Cousin Aldo war bereits verschiedentlich die Rede. Aldo ist Freimaurer. Ihm habe ich die Einladung zu diesem besonderen Ereignis zu verdanken.


Meine Erfahrungen mit Fischen beschränkten sich in der Vergangenheit auf die Auswahl von Gerichten aus einer gut sortierten Speisekarte sowie die Auswahl von tiefgefrorenen, handlich abgepackten Produkten aus der Tiefkühltruhe im Supermarkt.


Nun also der Fisch als lebendige Beute. Noch ist es aber nicht so weit. Erst wollen ca. 370 km zurückgelegt werden. Für die Fahrt steht ein nagelneuer komfortabler Reisebus zur Verfügung. Der Besitzer des zugehörigen Reiseunternehmens ist auch Freimaurer, kann jedoch aus familiären Gründen leider nicht teilnehmen.


Auch ein gemächlich dahinrollender Reisebus kann diese Strecke in 5 Stunden zurücklegen. Dies ergäbe eine geschätzte Ankunftszeit von 4 Uhr morgens. Doch es sollte anders kommen. Der brasilianische Angler benötigt zur Erfüllung seiner Mission eine ganze Reihe von Utensilien: Ein zum Befahren des Flusses geeignetes Boot, einen kundigen Bootsführer, Angelausrüstung sowie Köder. Letztere müssen frisch sein und werden daher unterwegs beschafft.


Einschlägige Geschäfte am Stadtrand wissen genau, wann ihre Kundschaft sich auf den Weg macht und halten ihre Ware auch um Mitternacht noch gerne bereit. Was fressen Fische so? Unterschiedlich. Die einen bevorzugen Früchte, andere lange dicke Würmer, wieder andere kleine Fische. Am besten, wir nehmen von allem etwas.


Weiter geht’s. Ein weiterer Stopp ist der Tatsache geschuldet, dass die Biervorräte deutlich früher als geplant zur Neige gehen. Einmal Volltanken bitte.


Es ist vermutlich überall auf der Welt das Gleiche. Wenn mehr als zehn menschliche Wesen versammelt sind, so gibt es solche, welche Verständnis dafür aufbringen, dass nachts um zwei Uhr bisweilen das Bedürfnis nach Schlaf aufkommt, und andere, welche diesen Gedanken als völlig abwegig empfinden. Derart polarisiert gelangt unsere Reisegesellschaft kurz nach 5 Uhr ans Ziel.


Das Ziel erweist sich als ein auf Stelzen gebautes Hotel am Ufer des Rio Paraguai, des Paraguay-Flusses. Im Laufe eines Jahres, so erfahre ich, verändert sich die Wasserhöhe um mehrere Meter. Daher die Stelzen. Im Moment ist der Wasserstand relativ niedrig. Im Frühjahr, etwa im September, ist das Hotel nur per Boot erreichbar.


Der Rio Paraguay ist mit gut 2.500 km Länge nur geringfügig kürzer als die Donau, dennoch aber nur der elftlängste Fluss Südamerikas. Er entspringt im Nachbarstaat Mato Grosso, durchzieht den Bundesstaat Mato Grosso do Sul sowie das Nachbarland Paraguay in Nord-Süd-Richtung, erreicht gerade noch Argentinien und mündet schließlich kurz nach der Grenze in den insgesamt 4.000 km langen Rio Paraná.


Nun aber ist keine Zeit für derartige Betrachtungen. Schnell die Sachen aus dem Bus ins Vierbettzimmer schaffen. Schnell eine Tasse Kaffee hinunterstürzen. Schnell ein paar Brote für den Vormittag schmieren. Schnell alles Nötige für den Angel-Tag zusammenraffen. Die „Piloteiros“, die Bootsführer, warten nämlich bereits. Der frühe Angler fängt den Fisch.


Je zwei Angler und ein „Piloteiro“ teilen sich ein Boot. Mein Angel-Partner heißt Pedrinho und ist seines Zeichens ein wahrhaft passionierter Angler. Bereits während der Busfahrt wird mir von verschiedenen Seiten dazu gratuliert, dass ich Pedrinho als Partner bekommen habe. Pedrinho weiß alles über die Fische dieser Gegend: Was sie gerne fressen, wann sie gerne fressen und wo.


Darüber hinaus besitzt er das erforderliche Equipment in mehrfacher Ausführung, so dass er mich, den blutigen Anfänger, mit versorgen kann.


Dann mal los. Peba, unser Piloteiro, gibt Vollgas flussabwärts, der aufgehenden Sonne entgegen. Eine atemberaubende Landschaft zieht an uns vorbei. Die Landschaft ist wie gemalt. Lediglich der Lärm des Außenborders stört den perfekten Sinneseindruck.


Das Flussufer ist nicht auszumachen, da vielfältige auf dem Wasser treibende Pflanzen dem Ufer vorgelagert sind. Nach etwa 20 Minuten erreichen wir den Rio Miranda und fahren flussaufwärts. Dort soll es besonders fischreiche Gebiete geben.


Etwa weitere 15 Minuten sind wir am Ziel. Es beginnt das sich vielfach wiederholende Ritual: Das Boot quer zur Strömung stellen, den Köder befestigen, die Angel auswerfen und – warten. Nach einer ereignislosen Weile wirft der Piloteiro den Motor an und fährt den Kahn wieder ein Stück flussaufwärts. Die Sequenz beginnt von Vorne.


In sehr seltenen Fällen jedoch fällt ein Fisch auf unsere Köder herein. Dann weicht die wohltuende Ruhe binnen Sekundenbruchteilen einer hektischen Betriebsamkeit. Derjenige, welche die Beute an seiner Angel wähnt, wird von den beiden Mit-Anglern mit gutgemeinten Anweisungen bombardiert, auf dass es ja gelingen möge, das Objekt der Begierde an Bord zu hieven.


Das sprichwörtliche Anfängerglück ereilt mich gleich zweimal kurz hintereinander. In beiden Fällen handelt es sich bei den Opfern um einen Pacu („Piaractus mesopotamicus“) von knapp 50 cm Länge. Die Länge ist von Bedeutung und entscheidet über Leben und Tod. Das „Instituto de Meio Ambiente de Mato Grosso de Sul“, gewissermaßen das „Landesumweltinstitut“, hat nämlich Mindestgrößen je Fischart festgelegt.


Für den Pacu beträgt diese Mindestlänge 45 cm. Meine beiden Opfer haben folglich Pech. Die Dreckarbeit übernimmt der Piloteiro. Er greift zu einem Rundholz und befördert sie mit einem gezielten Schlag vom Leben zum Tod. Andere haben mehr Glück und kommen mit einer vom Angelhaken verursachten Wunde in Maulnähe davon.


Die Ausbeute des Tages ist sehr überschaubar. Ganze vier Fische entreißen wir dem Rio Miranda. Ich gelange zu dem Schluss, dass der von Angler diesen Typs angerichtete ökologische Schaden verkraftbar ist und durch die finanziellen Transferleistungen in diese strukturschwache Gegend – Angeln ist summa summarum sauteuer – mehr als aufgewogen wird.


Meine Ausbeute erscheint mir als recht dürftig, ich darf jedoch nach unserer Rückkehr an Land feststellen, dass wir im Vergleich zu unseren Anglerkollegen gut dastehen. Unser Piloteiro kümmert sich übrigens auch um den Rest: Die Fische „ausnehmen“ und in den Kühlraum schaffen.


Der Arbeitstag des Anglers findet sein natürlich es Ende mit dem Einbruch der Dunkelheit gegen 18 Uhr. Dieser Zeitpunkt ist auch das Wecksignal für die Moskitos, so dass es zwei Gründe gibt, den Rückzug ins Hotel anzutreten. Am Abend werden natürlich erst einmal die vielfältigen Erlebnisse während des Tages ausgeschmückt. Eine gewisse phantasievolle Ausschmückung ist dabei erlaubt, ja sogar erwünscht.


Für den nächsten Morgen wird Wecken um fünf Uhr vereinbart. Der verantwortungsbewusste Angler bettet sich daher zeitig zur Nachtruhe.


Der zweite Tag steht unter dem Zeichen eines Wettbewerbs („Campeonato“) in den Kategorien „größter gefangener Fisch“ und „größte Anzahl von gefangenen Fischen“. Noch ein Grund, möglichst früh aufzubrechen. Wieder fahren wir der aufgehenden Sonne entgegen. Ein Schauspiel, dessen man schwerlich überdrüssig werden kann.


Der Tag sollte sich als Glückstag erweisen – für die Fische. Für die Anleger hingegen eine Katastrophe. Es ist, als hätten die Fische über Nacht dazu gelernt. In der gesamten ersten Tageshälfte können wir genau einen Fang verbuchen. Wiederum ist der Triumph mir vergönnt. So ruhen die gesamten Hoffnungen auf dem Nachmittag.


Doch zunächst wartet ein Mittagessen auf uns. Heute nicht im Hotel, sondern auf einer Flussinsel, in unberührter Natur auf einer kleinen Lichtung am Ufer. Dort wird mal eben schnell ein rustikaler Grill installiert, um mitgebrachte Fleischstücke und Fische zu grillen. Dazu Brot und Salat. Wasser zum Waschen der Zutaten ist ja genug da – im Fluss. Das Flusswasser besitzt zwar eine leicht trübe Färbung, kann aber bedenkenlos getrunken werden.


Dazu wird mal eben ein „Sashimi“ zubereitet. Allerdings etwas „rustikaler“ als man es aus japanischen Restaurants in Deutschland kennen dürfte. Man nehme frischen Fisch und filetiere diesen mittels in gekonnter Weise. Das Fischfilet wird vermengt mit reichlich rohen Zwiebeln, frischem geriebenem Ingwer, Pfeffer sowie reichlich Sojasoße. Teller und Besteck sind knapp, also wird reihum aus einem Teller mit einer Gabel gegessen. So etwas verbindet. Und es schmeckt einfach gut.


Der Nachmittag erfüllt die Hoffnungen nicht, was dass Ausmaß des Fischfangs anbelangt. Lediglich unserem Piloteiro ist es vergönnt, einen weiteren Pacu aus dem Wasser zu ziehen. Mein Companheiro Pedrinho ist sichtlich enttäuscht, weiß aber als Profi, dass nach dem Angeln vor dem Angeln ist. Er verbringt jährlich etwa zehn Wochenenden mit dieser Freizeitbeschäftigung. Ich hingegen fühle mich über Gebühr entschädigt durch die Möglichkeit, diverse „exotische“ Tiere in ihrer natürlichen Umgebung beobachten zu können. Ariranhas etwa, sehr große und nicht ungefährliche Fischotter, die uns lautstark wissen lassen, dass wir in ihr Revier eingedrungen sind. Oder verschiedene Affen, die in ufernahen Bäumen sich tummeln.


So kehren wir schließlich mit unserem bescheidenen Beutefang zum Hotel zurück. Wir erfahren, dass unsere Anglerkollegen ähnlich wenig Glück hatten. Schwamm drüber. Der Hausherr des Hotels hat rechtzeitig zu unserer Rückkehr ein eisgekühltes Bierfass angestochen und reicht den abgekämpften Anglern ein „Chopp“, ein Bier vom Fass. Dieses Wort – man kann es erahnen – ist vom deutschen Schoppen abgeleitet, wird hierzulande jedoch ausschließlich für Bier verwendet.


Es wird ein heiterer Abend. Wichtiger als der anglerische Erfolg sind in den Augen der versammelten Sportsfreunde Gemeinschaft („companhia“), Freundschaft („amizade“) und Freude („alegria“). Recht so.

Obwohl es an diesem Abend natürlich später wird, sind am folgenden Morgen, dem Ostermorgen, um 6 Uhr alle bereit für die Abreise. Nicht vergessen werden darf natürlich, die gefangenen und inzwischen tiefgefroreren Fische einzuladen. Der vorausschauende Angler hat hierfür natürlich geeignete Behältnisse mitgebracht, welche nun zusätzlich mit Eis gefüllt werden. Alles ist verstaut, es kann losgehen.


Das Abenteuer im Pantanal geht langsam aber sich zu Ende. Anfang September wollen sie sich wieder auf den Weg machen. Und dann beißt er ganz bestimmt an, der ganz große Fisch.


NACHTRAG


Leider erwies sich nach meiner Rückkehr aus dem Pantanal die Speicherkarte mit der überwiegenden Mehrzahl der Fotos als defekt. Noch habe ich Hoffnung, dass die Aufnahmen gerettet werden können. Falls es so kommt, werde ich das Bildmaterial nachreichen.